44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
auf eine breite Linie verteilt. Sie hatten nicht die Geistesgegenwart und Gewandtheit, welche Sternau besaß. Sie nahmen für sicher an, daß dieser in immer gerader Linie fliehen werde, sodaß man ihn immer vor sich habe und den Hufschlag seines Pferdes hören müsse. Daß er anhalten und sie erwarten könne, das fiel ihnen gar nicht ein, das war nach ihrer Ansicht so todesverwegen, daß sie es für ganz unmöglich hielten.
Es war so dunkel, daß man einander zwar hören, aber nicht sehen konnte. Sternaus Pferd stand still, und er hielt die Büchse zum Schuß erhoben. Die Verfolger nahten; da durchzuckte ihn ein anderer Gedanke. Er brauchte ja gar nicht zu schießen.
Er sprang schnell vom Pferd und riß auch dieses auf den Boden nieder. Da waren die Mexikaner bereits da und sprengten an ihm vorüber, rechts und links vor ihm je einer. Im Nu war er wieder auf und sein Pferd ebenso. Er sprang auf den Rücken desselben und jagte hinter ihnen her. Nach wenigen Augenblicken befand er sich zwischen den zweien. Sie hatten kein Arg, denn ein jeder hielt ihn für den anderen. Er setzte die Hähne seines Gewehres in Ruhe, faßte dasselbe bei den Läufen und trieb sein Pferd mit einigen Sätzen hart an den Mexikaner heran, der ihm zur Rechten ritt. Dieser bemerkte es.
„Weiter nach links!“ rief er.
Da sauste aber auch bereits Sternaus Kolben auf ihn herab und zerschmetterte ihm den Kopf.
Zugleich erfaßte der kühne Deutsche den Zügel des Mexikaners und hielt das Pferd desselben auf. In weniger als einer Minute hatte er ihn ausgeplündert, dann galoppierte er weiter.
Er hielt jetzt auf den Nachbar zur Linken zu. Als er diesen erreichte, rief derselbe:
„Mir gebietest du, weiter nach links zu gehen, und nun hältst du selbst nicht Richtung. Mehr nach rechts!“
„Gleich!“ antwortete Sternau.
Schon war er an ihn heran; der Mann ahnte nicht, was ihm bevorstand. Ein Kolbenschlag zerschmetterte ihm den Schädel. Dann hielt Sternau wieder das fremde Pferd an und nahm dem Reiter alles ab, was er selbst gebrauchen konnte.
Jetzt horchte er. Er hörte die Mexikaner nur noch rechts von sich galoppieren. Er hielt auf diese Seite hin und untersuchte die beiden erbeuteten Gewehre. Sie hatten nur einen Lauf und waren geladen. Er hatte also vier Schüsse. Das war mehr als genug, denn er konnte nur noch zwei Verfolger unterscheiden. Mit diesen war es leicht aufzunehmen.
„Holla!“ rief er. „Hierher! Ich habe ihn!“
Er hielt sein Pferd an und bemerkte, daß die beiden dasselbe taten.
„Wo?“ fragte eine Stimme.
„Hier! Hier! Er ist gestürzt!“
Da kamen sie herbeigesprengt, einer hinter dem anderen. Sternau erhob das Doppelgewehr. Sie kamen heran, sie hielten vor ihm.
„So, da habe ich euch, ihr Schurken!“ donnerte er ihnen entgegen.
Seine zwei Schüsse krachten; die Kugeln trafen gut; die Reiter wankten und stürzten von den Pferden. Die Tiere blieben ruhig stehen.
Jetzt horchte Sternau nochmals in die Nacht hinaus; es ließ sich nichts hören, also waren es nur vier gewesen, welche so unvorsichtig gewesen waren, ihn zu verfolgen. Er stieg ab und untersuchte die Gefallenen. Sie hatten wirklich kein Leben mehr. Auch ihnen nahm er alles ab, was sie bei sich trugen. Er hatte nun fünf Gewehre, mehrere Messer und Pistolen, zwei Lassos und eine hinreichende Menge Munition, denn ein jeder der vier Reiter hatte die seinige bei sich getragen. Außerdem fühlte er in dem Gurt Verdojas eine Menge Goldstücke und Banknoten. Er war also mit allem versehen, nur nicht mit Proviant. Doch dies machte ihm keine Sorge.
Er befestigte seine Beute auf die Sättel der erbeuteten Tiere, koppelte dieselben zusammen, nahm sie beim Zügel und ritt in die unbekannte Wüste hinein.
Seine Hauptsorge war, der Nachstellung zu entgehen. Er wußte, daß man bei Anbruch des Morgens die vier Leichen finden werde. Er erwartete auch, daß man seiner Spur folgen werde, und so galt es, sie irre zu führen.
Er dachte sich, daß man von der Hacienda aus die Räuber verfolgen werde; darum galt es, sie so lange wie möglich an einer Stelle festzuhalten. Er beschloß, einen Kreis zu reiten. Nachdem er einige Stunden nach Westen geritten war, lenkte er nach Süden um, und nach Verlauf von abermals zwei Stunden ritt er nach Osten wieder zurück. So erreichte er bei Morgengrauen den Fuß des Gebirges zwei Stunden südlicher, als da, wo sich das Lager befunden hatte.
Hier gönnte er den Pferden einige Ruhe, ließ sie grasen und trinken und rauchte
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