44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
eines hohen Aristokraten sein, in dessen Aufbewahrung sich dies kostbare Tafelzeug befand? Ja, so war es jedenfalls. Und um den Geliebten festlich zu bewirten, hatte Flora sich das Vergnügen gemacht, es einmal für sich zu benutzen.
Dieser Gedanke gab ihm seine Fassung wieder, so daß er frei von Sorgen an der Unterhaltung teilnehmen konnte, die fast nur zwischen ihm und Flora geführt wurde, nachdem der Diener sich entfernt und Flora selbst die kleinen Handreichungen übernommen hatte.
Welche Seligkeit durchströmte ihn, wenn sie so hausfraulich für ihn besorgt war und das beste für ihn auswählte! Sie reichte ihm etwas dar, er griff danach, und dabei berührte er ihr Händchen. Es war nur eine leise, kaum bemerkbare Berührung, aber sie durchzuckte dennoch seinen Körper wie ein magnetisches Fluidum. Auch Flora schien dasselbe zu fühlen, denn stets, wenn ihre Hände sich gestreift hatten, flog eine tiefe Röte über ihr Gesicht.
Der Herzog aß wenig, aber mit sichtbarem Behagen; der böse Husten schien ihn fast ganz verlassen zu haben.
„Sternau ist ein Wundermann“, sagte er. „Möchte doch jeder meiner Wünsche für ihn ein Segel sein, das ihn glücklich durch die Fluten führt. Ich beneide seine Eltern. Ein solcher Sohn, der die Mühen der Eltern so belohnt, ist ein Glück, dessen Größe nur ein Vater und eine Mutter empfinden können.“
„Sein Vater ist leider schon längst tot“, bemerkte Otto.
„Ah, das bedaure ich! Was war er?“
„Er starb als Professor. Er war ein sehr gelehrter Mann und liebte Weib und Kind über alles. Er hatte seine Frau in Spanien kennengelernt.“
„In Spanien? Was war er dort?“
„Er war Erzieher in einem vornehmen Haus, und sie Erzieherin in ebensolchen Verhältnissen.“
Der Herzog horchte auf, und auch Flora blickte auf den Sprecher.
„In welchem Haus war sie Gouvernante?“ fragte der Herzog, der keineswegs ahnte, wie nahe er der Entdeckung sei, nach der er bisher so vergeblich getrachtet hatte.
„Beide waren zu gleicher Zeit engagiert in Saragossa bei einem Bankier – hm, ich glaube, der Name ist mir doch entfallen.“
Da legte der Herzog das Messer fort. Seine Augen öffneten sich, und über sein bleiches Gesicht zog ein roter Schein.
„Papa!“ rief Flora, die dies bemerkte, warnend, obgleich sie selbst tief erregt war. „Nimm dich in acht!“
„Laß mich! Ich bin stark genug!“ wehrte er ab. Und mit einer Stimme, die vor Erwartung plötzlich ihren natürlichen Klang verloren hatte und nur stockend und fast heiser tönte, sagte er: „Hieß dieser Bankier vielleicht Salmonno?“
„Salmonno, ja, Salmonno, so war der Name“, antwortete Otto. „Aber mein Herr, was ist Ihnen?“ rief er dann bestürzt.
Olsunna war nämlich in die Lehne des Stuhles zurückgesunken und hatte die Augen geschlossen. Alles Blut, alles Leben schien aus seinem Körper gewichen zu sein. Flora war aufgesprungen und schlang angstvoll die Arme um ihn.
„Vater, mein Vater!“ rief sie. „Ich wußte es! Erwache, lieber Papa! Hörst du mich? Ich bin da, deine Flora ist bei dir!“
Sie drückte schluchzend seinen Kopf an sich. Auch Otto war hinzugetreten und hatte eine Kristallkaraffe ergriffen, die Wasser enthielt, aber diese Hilfe war nicht nötig, denn der Herzog öffnete die Augen, warf einen unbeschreiblichen Blick empor, drückte dann die Hand der Tochter und sagte:
„Ängstige dich nicht, mein Kind! Ich war nicht ohnmächtig; aber es drang auf mich ein wie die Flut eines ganzen Meeres von Wonne, Glück und Seligkeit. Doch noch ist das keine sichere Nachricht, noch muß ich die Antwort auf weitere Fragen haben.“
„Aber wirst du auch stark genug sein, mein Vater?“
„Ja, das versichere ich dir.“
Wie um zu beweisen, daß er keine Schwäche fühle, erhob er sich, richtete das Auge erwartungsvoll auf Otto und sagte:
„Sind Sie mit den weiteren Schicksalen der Frau Sternau bekannt, Herr von Rodenstein?“
„Ich glaube“, antwortete dieser, gar nicht begreifend, daß diese Schicksale Floras Vater so interessierten, ja, so tief ergreifen konnten.
„So sagen Sie mir, ob die Stellung bei dem Bankier Salmonno ihre letzte gewesen ist in Spanien?“
„Nein. Sie nahm eine andere Stellung an, die aber nicht von langer Dauer war. Sie wurde Erzieherin der Prinzeß Flora von Olsunna.“
Da fuhr der Herzog mit beiden Händen nach seinem Kopf; aber er nahm sich mit all seinen Kräften zusammen, stützte sich auf die Lehne des Stuhles und auf die Schulter
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