44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
daß sein Anerbieten einer anderen unwiderstehlich verlockend vorkommen würde, und daß ich um meines Sohnes, ja auch um Ihretwillen auf einen so ehrenvollen Vorschlag eingehen müßte, aber geben Sie mir Zeit, gewähren Sie mir Sammlung. Es ist eine glanzvolle Zukunft, die mir entgegenwinkt, aber ich glaube nicht, daß sie mir den Frieden zu ersetzen vermag, den ich hier in der Stille und Einsamkeit gefunden habe, und den ich um keinen noch so hohen Preis verlieren oder verkaufen möchte.“
„Ich weiß das. Ich weiß, daß Sie uns ein großes Opfer bringen. Auch für mich hat der trügerische Glanz, der lügenhafte Schimmer, von dem Sie sprachen, keinen Wert. Sie sollen Ihren lieben Frieden uns nicht zum Opfer bringen, denn wir wünschen nichts sehnlicher, als Ihre Einsamkeit zu teilen. Vater ist nur durch die Kunst Ihres Sohnes, meines geliebten Bruders, gerettet worden. Er ist vom Tod erstanden und wünscht, seine Tage nur der Liebe der Seinigen widmen zu dürfen. Karl, sein Sohn, würde dies billigen, und auch ich bin herzlich gern bereit, mich Ihnen anzuschließen.“
„Auch Sie? Sie dürfen Ihrer reichbevorzugten Stellung nicht entsagen. Sie sind berufen, an der Seite eines hochgestellten Mannes die Würden zu vertreten, die ein Attribut des hohen Standes sind, in dem Sie geboren wurden.“
„O, ich habe bereits entsagt, ich habe mir bereits den Mann gewählt, der mein Glück ist, und der dasselbe Glück aus meiner Hand empfangen wird. Es ist kein Herzog, kein Fürst, es ist ein – einfacher Maler.“
„Ein Maler! Ist's möglich! Und Ihr Vater –?“
„Er billigt meine Wahl, er hat sie gebilligt unter der Voraussetzung, daß Sie seinem Sohn erlauben, der Erbe seiner Reichtümer und Würden zu sein. Sie sehen, daß es nur von Ihnen abhängt, auch mich glücklich zu machen.“
„Sie legen da eine schwere Verantwortung auf mich, mein liebes Kind“, entgegnete Frau Sternau nachdenklich.
„Ja, aber mit dieser Verantwortung lege ich auch die Macht und den Einfluß in Karls Hände, die Feinde der Rodrigandas, die nun auch die unsrigen sind, niederzuschmettern.“
„Das ist allerdings sehr zu beherzigen. Darf ich vielleicht wissen, wer der Maler ist, dem Sie mit Ihrem Herzen ein so köstliches Geschenk gemacht haben?“
„Sehr gern! Meine Mama wird ja meine beste Freundin und Vertraute sein, es soll ihr keine Falte meines Herzens verborgen bleiben. Überdies werden Sie ja recht bald erfahren, wer er ist. Er heißt Rodenstein.“
„Rodenstein?“ fragte Frau Sternau überrascht. „Doch nicht etwa –?“
„Ja, Sie raten richtig. Es ist Otto von Rodenstein.“
„Der Sohn des Herrn Hauptmann?“
„Ja.“
„Mein Gott, welch eine Schickung! Welch eine Fügung des Himmels! Wahrlich, die Wege des Herrn sind wunderbar! Wie oft hat dieses unglückselige Zerwürfnis meine ganze, vollste Teilnahme erregt. Herr Otto trägt nicht die mindeste Schuld daran, ich kenne ihn genau, ich liebe ihn sehr, er ist Ihrer Liebe in jeder Beziehung vollständig würdig. Die Starrheit seines Vaters hat ihn schwer darniedergebeugt, nun schickt der gütige Gott Sie als Engel, der die Versöhnung bringt, ich danke ihm von ganzem Herzen.“
„Und ich bin so unendlich glücklich, auserlesen zu sein, den Frieden bringen zu dürfen. Sie sehen, wir Frauen haben den herrlichen Beruf, die Liebe und Versöhnung ausstreuen zu dürfen. Auch Sie sind dazu berufen, und ich bitte Sie mit aller Inständigkeit, Papa nicht zurückzuweisen. Sie erblicken gewiß in dem allen die weisen, allgütigen Fügungen des Himmels. Gott will nicht, daß der Sünder untergehe und verderbe. Seien Sie der Dolmetsch, der Vermittler der Vorsehung, und lassen Sie meinen armen, guten Papa die Vergebung finden, nach der er sich so innig gesehnt hat. Wir alle werden es Ihnen danken, solange wir atmen. Ihr Sohn hat ja mit seinem außerordentlichen Scharfblick sogleich erkannt, daß das Leiden meines Vaters keine körperliche Ursache hat, sondern eine Folge des Leides ist, das seine Seele belastet.“
Flora, die herzogliche Prinzessin, stand so innig und demütig bittend vor ihrer einstigen Erzieherin, in ihren Augen, die von Tränen überströmten, lag ein so inniger Ausdruck heißen Flehens, daß Frau Sternau sich tiefergriffen fühlte und auch ihren Tränen nicht gebieten konnte.
„Seien Sie getrost, mein gutes Kind“, sagte sie. „Ich werde mit Gott zu Rate gehen, und er wird alles zum besten lenken. Lassen Sie uns jetzt schweigen. Was so
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