Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ungezwungener, herzlicher wurde. Der Herzog beobachtete Frau Sternau und fand, daß sie trotz ihrer Jahre noch immer einen großen Teil jener Schönheit bewahrt hatte, die damals so verhängnisvoll für sie geworden war. Auch sie warf öfters einen forschenden Blick auf ihn und gewahrte, daß er jetzt einen ganz anderen Eindruck auf sie mache als früher. Das Herz des Weibes ist schwach gegen den Eindruck des Leidens, und die Spuren seiner schweren Krankheit erweckten eine Teilnahme in ihr, die sie diesem Mann gegenüber gar nicht für möglich gehalten hätte.
    Und wenn sie dann Flora betrachtete, so ging ihr das Herz auf. Ja, das war die Dame, die zu werden das Kind bereits damals versprochen hatte, das war ein Charakter ganz ohne Falsch und Tadel. Sie fühlte sich auf das innigste zu ihr hingezogen und freute sich daher herzlich, als sie sah, daß Flora sich ihr anschloß, als man nach der Tafel sich einige Zeit lang im Garten erging.
    Hier näherten sich die Seelen der beiden Frauen einander mit offener Herzlichkeit. Sie fühlten, daß sie einander nahe stehen, nahe bleiben und sich lieben müßten, und Flora schlang schließlich den Arm um die Taille ihrer einstigen Erzieherin und sagte:
    „Meine liebe Frau Sternau, Papa wird Ihnen eine große Bitte vortragen. Werden Sie dieselbe erfüllen?“
    „Ja, wenn ich kann“, antwortete die Gefragte.
    „Vielleicht werden Sie können, o, ich wünsche es von ganzem Herzen.“
    „Welche Bitte wird es sein?“
    Nach einem kurzen, nachdenklichen Zögern antwortete Flora:
    „Ich bin nicht beauftragt, es Ihnen zu sagen, aber es ist besser, ich bereite Sie darauf vor. Papa will Sie bitten – Herzogin von Olsunna zu werden.“
    Das war ein unvermittelt ausgesprochenes Wort. Es traf mit seiner ganzen Schwere die, an welche es gerichtet war. Frau Sternau trat mehrere Schritte zurück und sagte ganz erschrocken:
    „Herzogin von Olsunna? Ich?“
    „Ja, meine liebe, liebe Señora Wilhelmi“, antwortete Flora, sie schmeichelnd bei ihrem Mädchennamen rufend. „Sie sollen Herzogin von Olsunna werden und also meine Mama. O, wie unendlich würde es mich freuen, wenn Sie diese Bitte meines Vaters erfüllen wollten!“
    „Unmöglich! Unmöglich! Ich träume! Was will der Herzog mit einem so ungeheuerlichen Antrag bezwecken?“
    Da zog Flora die früher so schwergeprüfte Frau näher an sich und entgegnete: „Ich soll die Schwester meines Bruders sein dürfen, meines Bruders, nach dem ich mich so innig sehne. Karl Sternau soll Don Carlos de Olsunna werden, damit alles vergessen werde, was früher geschehen ist.“
    Da errötete Frau Sternau so tief wie das jüngste Mädchen. Wer sie jetzt gesehen hätte, dem wäre es wohl beigekommen, daß sie einst ein sehr schönes Mädchen gewesen sein müsse.
    „Mein Gott“, sagte sie, „der Herzog hat geplaudert. Sie wissen –?“
    „Daß Ihr Sohn mein Bruder ist? Ja, das weiß ich. Als Papa zum Sterben darniederlag, hat er es mir mitgeteilt, und ich bin mit großer Freude darauf eingegangen, mir diesen Bruder aufzusuchen und zu gewinnen.“
    „Das freut mich um Ihretwillen, mich aber drückt es unendlich nieder, denn ich weiß nicht, ob der Herzog Ihnen alles erzählt hat.“
    Flora ahnte die Gedanken der Sprecherin und antwortete darum schnell:
    „Alles, alles hat er mir gesagt, seine ganze, schwere Schuld hat er mir eingestanden. Auf Ihnen liegt nicht die geringste Spur eines Vorwurfes. Dennoch würden Sie ihm verzeihen, wenn Sie wüßten, wie schwer er bereut!“
    „Ich habe ihm verziehen“, erklang es mit milder Stimme.
    „Ich danke Ihnen! Er hat nach Ihnen und nach seinem Sohn geforscht, eine lange Zeit, er hat sich alle Mühe gegeben, Sie aufzufinden, doch vergeblich, bis Herr von Rodenstein zu uns kam und sagte, wo Sie sich befänden. O, bitte, weisen Sie den Vater nicht zurück! Gräfin Rosa ist eine herrliche Frau, Sie hat Ihrem Sohn aus reiner Liebe ihre Hand gegeben, sie hat so unendlich viel gelitten, sie ist es wert, Herzogin von Olsunna zu werden.“
    „Verzeihen Sie mir, mein liebes Kind, daß ich nicht sogleich zur Entscheidung komme. Es handelt sich hier um einen so ungewöhnlichen, ja außerordentlichen Schritt, daß man dabei nicht stürmisch sein kann. Ich will Ihnen gestehen, daß ich meinem Gemahl nicht jene heiße, glühende Liebe entgegengebracht habe, die auch nach seinem Tod mein ganzes Herz mit Trauer um sein Andenken erfüllen müßte, ich will auch gestehen, daß ich Ihrem Vater nicht mehr zürne,

Weitere Kostenlose Bücher