44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
nannte aber den Sohn des Hauptmanns nicht mit Namen, sondern bezeichnete ihn einfach als einen Freund des Doktor Sternau.
„Alle Wetter, das war ein sehr glückliches Zusammentreffen!“ meinte der Oberförster. „Wenn dieser Freund nicht gewesen wäre, so hätten wir den Grafen heute nicht hier.“
„Allerdings. Und außerdem kämen Sie und wir alle um ein freudiges Ereignis, von dem Sie baldigst hören werden.“
„Was ist es?“
„Gedulden Sie sich nur eine kurze Zeit, Herr von Rodenstein! Sie werden dann alles erfahren.“
„Ja, ja. Ich bin zwar nicht sehr geduldig geartet, aber hier sehe ich doch ein, daß Sie ermüdet sind und sich wohl ein wenig auszuruhen haben. Erlauben Sie mir, Ihnen und Fräulein Flora Ihre Zimmer anzuweisen. Unsere Rosa wird für ihren Papa einstweilen selber sorgen.“
Er führte die beiden nach den für sie bestimmten Räumen, wo sie dienende Kräfte vorfanden, die ihrer bereits warteten; dann trug er Sorge, daß das Mahl bereitstehe, weshalb er sich in die Küche begab.
„Sie sind da!“ meldete er den beiden Damen. „Und Graf Rodriganda dazu.“
„Graf Rodriganda!“ fragte Frau Sternau erstaunt. „Welcher?“
„Der Wahnsinnige.“
Jetzt herrschte auch hier großes Erstaunen, doch sorgte der Hauptmann dafür, daß trotzdem nichts versäumt wurde.
Rosa hatte sich mit ihrem unglücklichen Vater zuerst im Speisesaal eingefunden. Die beiden Damen Sternau servierten. Sie unterhielten sich mit dem Hauptmann, als Flora mit ihrem Vater eintrat.
Frau Sternau warf einen forschenden Blick auf die beiden und erkannte trotz der Länge der Jahre und trotz der Veränderungen, die im Laufe derselben mit dem Herzog vorgegangen waren, diesen sofort.
„Herzog Eusebio von Olsunna!“ rief sie, vor Schreck erbleichend.
„Der Herzog von Olsunna?“ fragte Rodenstein. „Nein, Frau Sternau, dieser Herr ist der Herr Baron von Haldenberg, und diese Dame seine Tochter.“
„Verzeihung!“ fiel da der Herzog ein. „Mein Name ist allerdings nicht Haldenberg, sondern Olsunna. Es gab einen Grund, meinen Namen für kurze Zeit zu verändern, doch ich hoffe, daß dies von Ihnen entschuldigt wird.“
„Donnerwetter! Ein Herzog! Ja, das habe ich der jungen Dame, ihrer Tochter, gleich angesehen! Sie sieht aus wie eine Prinzessin!“ rief der Hauptmann, indem ihm vor Erstaunen der Mund geöffnet blieb.
Unterdessen war Flora bereits zu Frau Sternau getreten. Sie streckte derselben herzlich die Hände entgegen und sagte:
„Wir erkennen einander nicht, denn es ist eine lange Zeit her, daß ich die Señorita Wilhelmi einst so lieb gewann und ich so viel nach ihr geweint habe. Ich bin Ihre kleine Flora Olsunna, Frau Sternau. Wollen wir so gute Freunde sein wie damals? Ich bitte recht herzlich darum!“
Diesem Entgegenkommen konnte der Schreck der Dame nicht widerstehen. Die Blässe wich von ihren Wangen, eine schimmernde Feuchtigkeit breitete sich über ihre Augen, und in ihrer Stimme war ein leises Vibrieren zu hören, als sie die angebotenen Hände nahm und antwortete:
„Eine solche Dame ist aus meiner kleinen Florita geworden? Seien Sie herzlichst gegrüßt, Hoheit! Warum sollte ich Ihnen die Gesinnungen meines Herzens nicht bewahrt haben? Sie sind mir hochwillkommen!“
Während Flora nun auch zu Fräulein Sternau trat, näherte sich der Herzog der Mutter derselben.
„Señora“, sagte er spanisch, um von dem Hauptmann nicht verstanden zu werden, „ich habe einst schwer an Ihnen gesündigt. Ich war lange Zeit dem Tod nahe und konnte doch nicht sterben, bevor ich meiner großen Schuld ledig war. Wollen Sie mir verzeihen? Tun Sie es um meiner Tochter willen.“
Es war ein tiefer, ernster, inhaltreicher Blick, den sie auf ihn warf. Es sprach sich darin alles Elend, alle Sorge von damals aus, aber es glänzte aus demselben auch die unentwegte Güte und Großmut des weiblichen Herzens. Sie nahm die Hand an, die er ihr dargeboten hatte, und erwiderte:
„Durchlaucht, ich verzeihe Ihnen.“
Es waren nur wenige Worte, die sie sprach, aber der Herzog hörte und verstand, daß sie in Wahrheit und ohne Heuchelei alles enthielten, was er sich gewünscht hatte. Darum versetzte er:
„Ich danke Ihnen! Vielleicht geben Sie mir Gelegenheit, Ihnen zu zeigen, wie tief meine Reue ist und wie ernstlich mein Bestreben, meine damalige Schuld an Ihnen zu sühnen.“
Während der Tafel herrschte zunächst, wie dies ja gewöhnlich zu geschehen pflegt, ein etwas befangener Ton, der aber später ein
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