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44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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begründet gewesen. Ich habe Sie stets nur mit Widerwillen sehen können. Ihr Oheim Gasparino ist ein Bösewicht, dem man das Handwerk legen wird. Er macht Grafen und Gräfinnen wahnsinnig; er läßt Menschen verschwinden, um sie über das Meer zu versenden, er – ah, gehen Sie! Ich mag Sie nicht mehr sehen.“
    Amy wandte sich und verließ das Zimmer, Josefa stand allein, fast steif vor Überraschung und Wut. Der Grimm wirkte wie ein Starrkrampf auf ihre Glieder, aber endlich bewegte sie sich doch, ballte die Fäuste, erhob sie drohend gegen die Tür, hinter der Amy verschwunden war, und knirschte:
    „Das sollst du mir büßen, du stolzes Weib! Und zwar bald!“
    Als sie das Zimmer verlassen hatte, kehrte Amy zurück. Sie war durch die Unterredung mit der Mexikanerin zornig aufgeregt, beruhigte sich aber bald wieder, als sie schaukelnd in der Hängematte lag und an ihre Freundin Rosa dachte, die jetzt so glücklich verheiratet war.
    Nach einiger Zeit trat die Dienerin abermals ein und meldete den Lord. Lindsay befolgte auch seiner Tochter gegenüber die Höflichkeit, sich bei ihr stets anmelden zu lassen. Sie ging ihm entgegen und empfing ihn mit einem Kuß.
    „Wie gut, daß du kommst, Pa!“ sagte sie.
    Pa ist die Abkürzung für Papa, ebenso wie man Mama in Ma abkürzt. Diese Zärtlichkeitsform wird besonders häufig in Amerika, aber auch in England angewandt.
    „Hast du mich erwartet?“ fragte er.
    „Nein; doch wird deine Gegenwart mich wieder aufheitern. Ich habe mich sehr geärgert.“
    „Du?“ fragte er lächelnd. „Worüber?“
    „Über diese Josefa Cortejo.“
    „Ihr Vater war bei mir. Er sagte mir, daß seine Tochter bei dir sei. Ist sie deine Freundin?“
    „Nein. Sie wollte es sein; sie ist mir verhaßt, diese Tochter eines – Schreibers.“
    Der Lord machte eine Gebärde komischen Erstaunens.
    „Wie kommt es denn, daß meine gute Amy plötzlich so stolz geworden ist?“ fragte er.
    „Stolz? Stolz bin ich nicht, aber leiden kann ich sie nicht. Sie drängte sich stets an mich heran, ließ sich nicht zurückweisen, machte mir heute sogar einen Besuch und wagte es dabei, mich nach ganz privaten Dingen auszufragen wie ein Schulmeister.“
    „Was tatest du?“
    „Ich wies ihr die Tür.“
    „Ganz so, wie ich es mit ihrem Vater getan habe“, sagte der Lord.
    „Du hast ihn fortgejagt?“
    „Ja.“
    „Warum?“
    „Er wollte mich betrügen. Er hat gehört, daß ich die Absicht habe, mich in Mexiko anzukaufen; da bot er mir kürzlich eine große Besitzung an, die im Norden liegt, eine Hacienda, ‚Del Erina‘ heißt sie, und ein gewisser Pedro Arbellez sollte dort Inspektor sein. Heute kam er wieder, um meinen Bescheid zu hören.“
    „Und du hast ihn fortgejagt?“
    „Ja, denn ich habe unterdessen erfahren, daß die Hacienda diesem Arbellez gehört; Cortejo hat gar nicht das Recht, sie im Auftrag des Grafen Rodriganda zu verkaufen.“
    „Sie hat dem Grafen Rodriganda gehört?“
    „Ja, und dieser hat sie Arbellez geschenkt. Aber, weshalb ich zu dir komme: du reist gern?“
    Amy horchte auf.
    „Ja, das weißt du doch“, antwortete sie.
    „Du hast bereits sehr weite Reisen ganz allein unternommen; ich weiß, daß ich um dich keine Sorge zu tragen brauche, jetzt aber kann ich mich doch nicht so leicht entschließen.“
    „Hast du eine Reise für mich, Pa?“
    „Ja. Ich habe dem Gouverneur von Jamaika sehr wichtige Depeschen zu überbringen, die einen solchen Wert haben, daß ich sie gar nicht fremden Händen anvertrauen darf. Es liegt ein Kriegsschiff im Hafen von Vera Cruz, das sie überbringen soll, aber ich darf sie dem Offizier desselben nicht geben, denn er ist kein Diplomat. Ich weiß kein anderes Mittel, als dich zu senden. Zwar hat eine Dame eigentlich keinen Zutritt auf einem Orlogschiff, aber man muß hier eine Ausnahme machen, wenn ich es wünsche.“
    Da sprang Amy auf.
    „Vater, ich reise! Überlaß diese Sendung getrost mir!“
    „Gut“, nickte er. „Ich vertraue dir, und dachte nur, dir beschwerlich zu fallen. Aber ich sehe, daß du eine echte Engländerin bist, die sich vor einem solchen Auftrag nicht fürchtet. Doch ist die Angelegenheit eine dringende. Wann kannst du fertig sein?“
    „Bereits morgen früh.“
    „So mache dich bereit. Ich werde dich bis nach Vera Cruz begleiten und auf das Schiff bringen. Der Gouverneur von Jamaika ist mein Freund, an den ich dir einen Privatbrief mitgebe. Er wird dich hoch willkommen heißen; darauf kannst du dich

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