Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
verwunderten Blick auf die Besucherin; diese kam ihr doch gar nicht so vornehm und distinguiert vor.
    „Ich denke doch, daß Mexiko sehr viele hervorragende Familien zählt“, bemerkte sie.
    „Hm, vielleicht“, entgegnete Josefa mit einem widerwärtigen Nasenrümpfen. „Hervorragende allerdings, aber doch nicht wirklich vornehme. Ich als Braut des reichsten Grundbesitzers Mexikos habe in der Wahl meiner Freundinnen vorsichtig zu sein.“
    Soeben erschien die Dienerin und brachte die in Mexiko gebräuchliche Schokolade. Als sie sich wieder entfernt hatte, setzte Amy das Gespräch mit der Frage fort:
    „Sie sind verlobt?“
    „Öffentlich noch nicht, da diplomatische Gründe zu berücksichtigen sind.“
    „Ach, Ihr Verlobter ist Diplomat?“
    „Eigentlich nicht“, antwortete Josefa mit einiger Verlegenheit, „aber ich durfte diesen Ausdruck gebrauchen, da meinem Erwählten drüben im Vaterland eine bedeutende Zukunft offen steht, die er gerade jetzt im Begriff steht, anzutreten.“
    „Dann gratuliere ich.“
    „Ich danke, Miß Lindsay. Sie haben von dem Grafen de Rodriganda gehört?“
    „Von dem Grafen de Rodriganda?“ fragte Amy überrascht.
    „Ja. Der Name scheint Sie zu frappieren.“
    Amy hatte sich schnell gefaßt und antwortete:
    „Ich habe eine Freundin dieses Namens.“
    „Eine Spanierin?“
    „Ja. Rosa de Rodriganda y Sevilla. Ihr Vater war der Graf Emanuel de Rodriganda.“
    Die Eulenaugen Josefas zogen sich zusammen wie die eines Raubtieres. Sie fragte:
    „Wo lernten Sie Rosa kennen?“
    „In Madrid. Später besuchte ich sie auf Rodriganda.“
    „Wann?“
    Dieses ‚Wann‘ war in einem förmlich inquisitorischen Ton ausgesprochen worden. Er berührte Amy unangenehm, und darum gab sie unwillkürlich nicht die Zeit an, sondern sagte nur:
    „Einige Zeit nach unserem ersten Zusammentreffen.“
    „Wann war dies, Miß?“
    Der Ton dieser Frage war streng. Amy war keine Politikerin, auch kein polizeiliches Talent, aber sie hatte soeben brieflich von Sternau erfahren, was vorgegangen war, und so kam ihr der Gedanke, hier vorsichtig sein zu müssen. Darum erlaubte sie sich eine kleine Unwahrheit, indem sie antwortete:
    „Vor ungefähr sechs Monaten.“
    „Es muß später gewesen sein“, behauptete Josefa zudringlich.
    Amy errötete, aber nicht vor Scham, sondern vor Ärger über den Ton, in dem dieses Mädchen zu sprechen sich erlaubte.
    „Woraus schließen Sie das?“ fragte sie kurz.
    „Weil Sie vorhin von jener Rosa sagten, ihr Vater war Graf Emanuel.“
    „Vor sechs Monaten ist er es noch gewesen. Ich erfuhr erst später, daß er tot sei.“
    „Wann?“
    „Heute.“
    „Heute? Ah, Miß Lindsay, von wem?“
    „Von einem Freund.“
    „Und wer ist dieser Freund?“
    Das war Amy denn doch zu viel. Sie erhob sich und sagte mit ihrem kühlsten Ton:
    „Señorita, rechnet man es hier in Mexiko zu den Höflichkeiten, sich in einer so – polizeilichen Weise nach Privatverhältnissen zu erkundigen?“
    Das Mädchen mit den Eulenaugen ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Es antwortete:
    „Man rechnet es hier zu den Beweisen der Teilnahme.“
    „So nehmen auch Sie es als Teilnahme, wenn ich frage, wer Sie sind?“
    „Ich wurde Ihnen vorgestellt, Miß.“
    „Einfach als Señorita Josefa.“
    „Mein Name ist Cortejo.“
    „Das erfuhr ich allerdings nachträglich. Aber wer ist Señor oder Don Cortejo?“
    „Er ist Sekretär des Grafen Ferdinando gewesen und ist dasselbe heute noch bei Graf Alfonzo.“
    „Sekretär? Also Schreiber!“ entgegnete Amy, indem sie einen Schritt zurücktrat. „Wissen Sie, was ein englischer Lord bedeutet?“
    „Ganz genau.“
    Da blitzten die schönen Augen Amys erzürnt auf; sie trat wieder einen Schritt näher und sagte:
    „Und Sie wissen, daß mein Vater ein solcher ist?“
    „Ja, Miß Amy.“
    „Und Sie, die Tochter eines Schreibers, wagten es, sich mir vorstellen zu lassen und mich zu besuchen? Aber das mag sein; das erlaube ich dem einfachsten Mädchen, wenn ich es leiden kann. Aber Sie wagen es, mich auszufragen, wie ein spanischer Alkalde eine Zigeunerin? Was fällt Ihnen ein? Bitte, verlassen Sie meine Wohnung.“
    Josefa wurde kreidebleich. Sie griff nach ihrer Mantille, die sie abgelegt hatte, und fragte:
    „Das ist Ihr Ernst, Miß?“
    „Ja, mein voller Ernst. Ist Ihr Vater mit Gasparino Cortejo in Rodriganda verwandt?“
    „Ja, sie sind Brüder und außerdem die innigsten Freunde.“
    „So ist meine Antipathie gegen Sie doch

Weitere Kostenlose Bücher