45 - Die Banditen von Antares
Wunden begleiten lassen zu müssen.
Dies geschah, als wir zum königlichen Palast von Tolindrin aufbrachen. Anscheinend gab es unter den Priestern Streit wegen der Bedeutung des Erdbebens, das wahrscheinlich böse Erinnerungen ausgelöst hatte. So gut wie jeder kam mit. Ranaj hatte nicht vor, auch nur einen seiner Schützlinge einem womöglich heiklen Schicksal zu überlassen. Hikdar Nalan C'Cardieth und sein Rudel knurrender Werstings gingen vor uns durch die Straßen. Ich für meinen Teil war froh, daß sie auf unserer Seite waren. Und ob, bei Krun!
Als ich den Grund für die Zusammenkunft der Priester erfuhr, verlor ich schlagartig das Interesse an der Diskussion. Statt dessen sah ich mir die Leute an, die sich in dem großen Gemach in Toms Palast versammelt hatten. Die Debatte, die mit viel Rhetorik und Armgewedel geführt wurde, drehte sich darum, daß die Hohenpriester von Tolaar und Dokerty beide für sich das Recht in Anspruch nahmen, König Tom krönen zu dürfen. Es herrschte die allgemeine Meinung, daß das Erdbeben eine direkte Zurechtweisung der Götter gewesen war, ein sicheres Zeichen, daß die Priester Cymbaros nicht würdig waren, die Krönung zu vollziehen. Einige gingen sogar so weit, daß sie vorschlugen, kein Anhänger Cymbaros dürfe sich auch nur in der Nähe der Krönung aufhalten.
Auf dem Hinweg waren wir an zwei Straßenschlägereien vorbeigekommen, wo schreiend Knüppel geschwungen und Steine geworfen worden waren. Eine Gruppe schrie vor dem Tempel von Dokerty wüste Beleidigungen und beschuldigte die rotgewandeten Priester, für die Serie schrecklicher Morde verantwortlich zu sein. Die andere Gruppe protestierte vor Tolaars Tempel. Meiner Meinung nach waren etliche Agitatoren in der Menge verteilt, die von den Dokerty-Oberen dafür bezahlt worden waren, die Aufmerksamkeit von ihnen abzulenken.
In der Versammlung brachte San Volar, der als Oberhaupt der Religion mit den meisten Anhängern eine gewisse Autorität für sich in Anspruch nahm, in seiner trägen Art die Meinung zum Ausdruck, daß vielleicht auch Dokerty nicht würdig war, die Zeremonie durchzuführen. Der Hohepriester von Dokerty – ein aufgedunsener großer Mann, der das gerötete Gesicht und die geplatzten Adern eines Menschen hatte, der zu maßlos den guten Dingen des Lebens frönte – widersprach heftig. Er trug ein rotes Gewand, das vom Hals bis zu den Füßen reichte. Seine Schuhe waren rot. Sein Hut war rot. Er war eine rote Erscheinung.
»Ich bestreite kategorisch, daß diese Morde auch nur das geringste mit Dokerty zu tun haben!« Er war leidenschaftlich, erregt und stand anscheinend kurz vor dem Platzen.
»San Cronal, alles weist auf das Gegenteil hin«, sagte San Volar in seiner ruhigen, lispelnden Art und genoß sichtlich, daß er dem aufgedunsenen Burschen mächtiges Unbehagen bereitete.
Es waren auch noch ein paar andere Priester vertreten, Repräsentanten der unbedeutenderen Kulte. Sie schienen allesamt recht ängstlich zu sein, nur darauf bedacht, sich einen kleinen Platz bei der Krönung zu sichern.
Ein einziger Blick auf das Gefolge von Khon dem Mak verriet mir, daß mein unterhaltsamer Fechtgegner Dagert von Paylen, ein äußerst durchtriebener Ehrenmann, nicht anwesend war. Khon der Mak und Prinz Ortyg verbrachten die Zeit damit, sich mit Blicken zu durchbohren.
»San Volar, mein Name ist, wie du genau weißt, San C'Cronal«, ertönte die aus geröteten, bebenden Hamsterbacken hervorgestoßene Antwort.
Tom, der auf einem Thronsessel saß und die streitsüchtige Versammlung müde verfolgt hatte, hob die Hand und gebot Schweigen. Dann versuchte er, alle Beteiligten zu beruhigen und jeder der vertretenen Religionen Teile der Zeremonie zukommen zu lassen. Ich hörte nicht mehr zu und betrachtete statt dessen die Mächtigen dieses Landes mitsamt ihrer Gefolgschaft. Unsere Werstings hatten natürlich vor der Tür bleiben müssen, und da die anderen Gruppen ihre eigenen wilden Hunde mitgebracht hatten, würden die Leinen einer starken Zerreißprobe unterzogen werden.
Ich war überrascht und erfreut, bei der Cymbaro-Delegation San Duven an San Paynors Seite zu sehen. Er sah erholt aus und hatte von seiner Reise eine gesunde Bräune mitgebracht. Aufgrund der Art, wie man den Beteiligten dieser Versammlung ihre Plätze zugeteilt hatte – die wichtigsten Priester und Mächtigen umringten Tom, während das jeweilige Gefolge hinten stand –, konnte ich nur gelegentlich sehen, wer gerade sprach. Hyr Kov
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