45 - Die Banditen von Antares
Notiz. Die Wache hatte sie aufgelesen. Vermutlich würde der Tote im Krematorium enden, wo man die Leichen unter strenger Aufsicht verbrannte. In den Armenvierteln war kaum Platz für Begräbnisstellen, hier konnte man sich kein Grab auf den Friedhöfen außerhalb der Stadt leisten.
Niemand hatte vor den Totenriten Anspruch auf ihn erhoben. Man konnte davon ausgehen, daß es auch niemand nach der Einäscherung tun würde.
Ich war davon überzeugt, daß dies der arme Teufel war, den man in einen Ibmanzy verwandelt hatte.
An diesem Tag begegnete mir auch das vertraute blaue Leuchten, als ich allein in den salle d'armes übte. Aus dem Blau formte sich ein Gesicht. Doch es gehörte weder Deb-Lu noch Khe-Hi. Aber, und dafür war ich außerordentlich dankbar, es gehörte auch nicht dem stümperhaften Zauberer, den Khon der Mak vor kurzem ins Land geholt hatte.
Abgesehen von den roten Lippen war das Antlitz recht blaß. Das Haar war rot, wie bei jedem Zauberer aus Loh, der etwas auf sich hielt. Die Augen waren blau, und der Schwung der Gesichtszüge erinnerte an eine von einem Künstler erschaffene Elfenbeinschnitzerei aus Chem. Das runde Kinn verriet Entschlossenheit; nicht eine einzige Falte war zu sehen. Der rote Mund wurde breiter, und nun war es nicht nur mehr eine Lippenbewegung, sondern ein ehrliches, warmherziges Lächeln.
»Ling-Li!« sagte ich. »Lahal!«
»Lahal, Dray. Alle sind dieser Tage so beschäftigt, trotzdem wollen wir tun, was in unserer Macht steht, solange du dich in Balintol – äh – herumtreibst.«
Mein Gesicht wollte sich zu einer Grimasse verziehen, aber ich beherrschte mich, denn schließlich wollte ich nicht verraten, was ich hier zu tun hatte.
»Ein neuer verdammter Zauberer aus Loh macht ganz Oxonium unsicher.« Ich erzählte ihr alles, was geschehen war, und sie versprach, sofort Erkundigungen einzuholen. Die Zauberer und Hexen von Loh blieben gern auf dem laufenden, was die Tätigkeiten ihrer Kollegen angeht.
Ich erkundigte mich nach ihrem Mann Khe-Hi und den Kindern, und sie stillte meine brennende Neugier und erzählte mir alles, was in Esser Rarioch so passiert war. Delia war irgendwo unterwegs, und mir war sofort klar, daß sie, genau wie ich, im Auftrag der Herren der Sterne handelte.
»Oh, Ling-Li«, sagte ich beiläufig, bevor wir uns voneinander verabschiedeten, »sei doch bitte so nett und sag Deb-Lu, daß ich eine Antiquität gefunden habe, die ihn interessieren dürfte. Es ist ein Dreizack, der eine eingravierte Inschrift mit der alten lohischen Sprache trägt. Ich ...«
Sie unterbrach mich. »Ist er in deinem Besitz?«
»Nein, er ist bei der Auseinandersetzung mit diesem verfluchten Ibmanzy irgendwo verlorengegangen.«
Sie schürzte die roten Lippen. »Das wird Deb-Lu interessieren, ja, und er wird ärgerlich sein, daß du ihn wieder verloren hast, Dray.«
»Er war sehr alt, und ich war sehr beschäftigt und habe einfach nicht mehr daran gedacht.«
Unter anderem teilte sie mir die erfreuliche Nachricht mit, daß Dimpys Mutter Velda und seine Schwestern sicher in Valkanium angekommen waren. Ein Brief würde folgen. Es gibt auf Kregen viele Menschen, die der Kunst des Lesens und Schreibens nicht mächtig sind, und in den vielen verschiedenen Kulturen gibt es ein weitverbreitetes System, das etwas ausgeklügelter als das einfache Zeichen ist, mit dem der vom Schreiber am Fuß der Seite notierte Namen beglaubigt wird. Siegelringe werden anstatt mit Siegelwachs mit Tinte bestrichen, dann wird der Name gestempelt. Es gibt Millionen unterschiedlicher Siegelringe, sogenannte Queyfors, und obwohl auf Kregen Fälschen eine hohe Kunst ist, ist dieses System relativ sicher.
Dimpy würde den Stempel vom Queyfor seiner Mutter erkennen.
Die diversen Prellungen und Schnitte, die ich mir in letzter Zeit zugezogen hatte, heilten mit der wunderbaren Schnelligkeit, die ich meinen Bädern im Heiligen Taufteich im fernen Aphrasöe verdankte. Mutter Firben hatte mit ihrer nadelspitzen Zunge geschnalzt und Knoblauch in die Wunden gerieben, eine sichere Vorbeugung gegen Wundbrand. Hätte ich vernünftige Waffen besessen, wäre ich nicht so ohne weiteres verletzt worden, das kann ich Ihnen versichern, bei Krun!
Prinzessin Nandisha teilte mir knapp mit, daß sie mit meinen gesundheitlichen Fortschritten zufrieden sei. Sie wollte Fweygo und mich zusammen mit Ranaj in der Nähe wissen, und sie war nicht sonderlich begeistert von der Vorstellung, sich von häßlichen Kerlen mit offenen
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