45 - Waldröschen 04 - Verschollen
sagst du? Da hast du die Antwort!“
Er holte aus und gab dem Araber eine Ohrfeige, die so stark war, daß dieser sofort niederstürzte und sich überkugelte. Die beiden anderen zogen nun auch ihre Messer und wollten sich auf den Kapitän werfen, kamen aber dabei sehr an den Unrechten. Er besaß eine echte deutsche Seemannsfaust, das heißt eine Hand, hart wie Stahl und doppelt so breit wie die ihrige. Mit zwei raschen Hieben hatte er sie kampfunfähig gemacht, sie lagen ebenso auf dem Deck wie der erste.
„Jungens, bindet mir einmal diese Kerls an die Masten!“ gebot der Kapitän. „Wir wollen ihnen einmal lehren, was es heißt, einen Deutschen einen Hund zu nennen!“
Diesem Befehl wurde sehr gern und schleunigst Folge geleistet. Die Matrosen nahmen den Arabern die Waffen und banden sie so fest, daß sie sich nicht zu rühren vermochten.
Unterdessen war die Lage des arabischen Fahrzeugs gefährlicher geworden. Es wurde von der Brigg am Hinterteil gezogen und begann, da es einen niedrigen Bord hatte, bereits Wasser zu schöpfen.
„Haltet an, ihr Schurken!“ brüllte der Anführer. „Seht Ihr denn nicht, daß wir ertrinken müssen, wenn ihr nicht gehorcht?“
„Mir ist's gleich, ob ihr ersauft oder nicht“, antwortete der Deutsche. „Kappt euer Tau, wenn ihr euch retten wollt!“
„Ich darf es nicht zerhacken, es gehört nicht mir, sondern dem Gouverneur!“
„Nun, so schluckt für den Gouverneur Seewasser, bis ihr platzt!“
„Wir selbst können ja das Tau kappen“, meinte der Steuermann.
„Fällt mir nicht ein!“ antwortete der Kapitän. „Ich gebe ihnen eine Lehre und rühre keine Hand für sie. Ich bin noch nie in diesen Breiten gewesen, aber ich habe sehr viel von der Arroganz dieser Menschen gehört. Diese Sklaven und Diener, diese Speichellecker kleiner, obskurer Potentaten und Beamten denken wunder, wer sie sind. Jeder Andersgläubige gilt für einen Hund, dessen Berührung sie verunreinigt. Ich verstehe ihre Sprache nicht und kenne auch ihre Gebräuche nicht, meine Gebräuche sollen sie kennenlernen. Wir sind es unserer deutschen Flagge schuldig, uns bei ihnen in Respekt zu setzen.“
„Aber wir fahren ja nach Zeyla!“
„Allerdings!“
„Und werden also mit dem Gouverneur in Berührung kommen!“
„Nun, was weiter?“
„Er wird sich rächen!“
„Er mag es versuchen!“
In diesem Augenblick ertönte ein vielstimmiger Schrei. Das arabische Fahrzeug hatte sich soweit zur Seite geneigt, daß es zu sinken drohte. Es schluckte Wasser, und zwar soviel, daß es sich nicht wieder aufrichten konnte.
„Seid ihr denn wirklich so erbärmlich dumm? Kappt doch endlich das Tau!“ ließ ihnen der Kapitän durch den Dolmetscher zurufen.
Sie aber waren so verwirrt, daß sie ihm nicht folgten, sondern in das Wasser sprangen und auf die Brigg zuschwammen.
„Werft ihnen Taue zu, daß sie herauf können!“ gebot der Kapitän. „Sie haben die Komödie begonnen und mögen sie auch zu Ende spielen. Aber laßt sie auf dem Vorderdeck zusammentreten und richtet die Geschütze auf sie.“
Es gelang, die Araber alle an Bord zu bringen. Der Dolmetscher gab ihnen die Weisung, sich nach dem Vorderdeck zu begeben; sie gehorchten; nur der Anführer weigerte sich. Er trat auf den Kapitän zu und fragte ihn:
„Bist du der Befehlshaber dieses Schiffes?“
„Ja!“
„So bist du mein Gefangener. Ich werde dich streng bestrafen lassen.“
Der Deutsche blickte ihm lächelnd in das braune, hagere Angesicht und antwortete:
„Mache dich nicht lächerlich! Ich habe in deine erste Albernheit gewilligt, und nun siehst du, was du davon hast, so wird es dir auch weiter gehen, wenn du es nicht aufgibst, dich als Herr zu gebärden. Kennst du die Völkergesetze?“
„Ich brauche sie nicht zu kennen. Ich kenne den Koran und die Gesetze des Propheten!“
„Ich habe mich weder nach dem Koran, noch nach deinem Propheten zu richten. Ich gehe nach dem Völkerrecht, und das wird von allen Seefahrern anerkannt. Dieses Schiff ist deutscher Grund und Boden, wer sich bei mir an Bord befindet, hat mir zu gehorchen. Ich bin Herr über Leben und Tod, verstehst du wohl. Ich werde jede Anmaßung und jeden Widerstand sehr streng bestrafen.“
„Das wirst du nicht wagen!“ sagte der Araber stolz.
„Warum nicht?“
„Weil ich ein Vetter des Gouverneurs bin.“
„Das gilt nichts! Auf meinem Schiff bin ich König und Kaiser, Sultan und Großmogul, dein Gouverneur ist mir vollständig gleichgültig. Ich segle
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