45 - Waldröschen 04 - Verschollen
Hund war fort. Den einen Posten hat er fast erschlagen, und der andere war nicht zu sehen – er wird aus Angst vor der Strafe auch mit davongelaufen sein.“
„Was hast du getan?“
„Wir durften die Abfahrt deines Schiffes nicht versäumen, darum haben wir schleunigst Verfolger ausgesandt, welche längs des Strandes nach Süden reiten, denn dorthin wird er fliehen, da dort die anderen Flüchtigen sind.“
„Das ist gut, das ist das beste, was ihr tun konntet. Jetzt aber nehmt Platz. Ich habe dort auf dem Vorderdeck ein Zelt für euch errichten lassen, von welchem aus ihr die ganze Küste überblicken könnt, sobald es Tag geworden ist. Der Dolmetscher mag für eure Verpflegung sorgen; ich muß euch verlassen, um das Kommando zu übernehmen, da wir augenblicklich in See gehen.“
„Kommst du denn des Nachts durch die Klippen?“
„Ich hoffe es. Ich habe mir am Tag die Stelle genau betrachtet, und übrigens steht ein Mann zum Ausguck vorn am Bug, der mich warnen wird.“
Die beiden traten in das Zelt, welches groß genug für sie war und Matten zum Sitzen und Liegen für sie enthielt, und bald hörten sie Wagners Stimme erschallen.
Die Ankerwinde knarrte, der Anker ging in die Höhe, die untersten Segel wurden gehißt, so daß das Schiff in langsamen Tempo wendete und vorsichtig gegen die Klippen ging. Es war Ebbezeit, und der Mann am Bug erkannte trotz der Dunkelheit die Schaumkronen, zwischen denen eine dunklere Stelle die gefahrlose Ausfahrt bezeichnete. Bald lagen die Klippen hinter der Brigg, und nun konnte sie auch die oberen Segel ziehen. Der Nachtwind legte sich in dieselben, und nun flog das schöne Schiff stolz in die offene See hinaus.
Ungefähr in der Mitte von den beiden Hafenstädten Zeyla und Berbera erhebt sich der Elmasberg, von welchem der gerettete Somali zu dem Kapitän gesprochen hatte. Er steigt, eine kurze Strecke von der See entfernt, von allen Seiten rund empor und bildet einen abgestumpften Kegel, an dessen südlicher Seite der Flecken Damal liegt, der aber eher ein nomadisches Lager als ein Flecken zu nennen ist. Der Ort dankt seine Entstehung einem kleinen Wasser, welches vom Berg fließt, sich aber sehr bald im Sand verliert.
Auf der anderen Seite, halb der See zugewendet, liegt eine Quelle, an welcher der junge Somali gefangengenommen worden war.
Graf Ferdinande hatte mit seiner Begleitung den gefahrvollen Ritt von Härrär bis zu diesem Berg, von dessen Höhe aus man die See überblicken konnte, glücklich zurückgelegt. Die Somali hatten ihm ihr Versteck gezeigt, und es war beschlossen worden, hier auf ein Schiff zu warten. Aber es verging ein voller Tag, ohne daß sich ein solches sehen ließ. Da nun in dem Flecken Damal ein Stamm wohnte, dem man nicht trauen durfte, so wurde während der Nacht beschlossen, daß der junge Somali nach Norden reiten solle, um ein Schiff zu besorgen. Er sollte Zeyla umgehen und den Hafen von Tadschurra aufsuchen, wohin gewiß noch keine Boten des Sultans gelangt waren. Der junge Somali verließ das Versteck, bestieg sein Kamel und ritt davon.
Am darauffolgenden Abend führten die Versteckten ihre Kamele aus dem Versteck nach der Quelle, um jene zu tränken, und fanden einen zerbrochenen Bogen dort liegen. Es mußten Leute hier gewesen sein. Der Somali nahm den Bogen auf, kaum hatte er dies getan, so sagte er erschrocken:
„Hier hat ein Kampf stattgefunden!“
„Wie willst du dies wissen?“ fragte Don Ferdinande.
„Dieser Bogen ist nicht zerbrochen sondern zerschnitten worden; das kann nur im Kampf geschehen sein. Laßt uns weiter suchen, ob wir noch etwas finden!“
Es war dunkel, und so konnten sie nur den Tastsinn zur Hilfe nehmen. Plötzlich bekam Bernardo eine Schnur in die Hand, an der etwas Rundes hing.
„Hier finde ich etwas“, sagte er. „Was mag dies sein?“
„Zeig es her!“ sagte der Somali.
Er befühlte den Gegenstand mit den Fingern; aber kaum hatte er dies getan, so sprang er vom Boden auf und stieß einen Ruf der Bestürzung aus.
„Was ist's?“ fragte Don Ferdinande.
„Es ist der Talisman, welchen Murad Hamsadi, mein Sohn, am Hals hängen hatte“, antwortete der Gefragte. „Er ist überfallen worden.“
„Du wirst dich täuschen. Er wollte hier sein Tier tränken, und dabei hat er den Talisman verloren.“
„Nein, einen Talisman mit so fester Schnur verliert man nicht; sie ist ihm vom Hals gerissen worden. Man hat ihn gefangengenommen und nach Zeyla gebracht.“
„Unmöglich!“
„Und doch
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