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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Steuermann:
    „Stopp!“ sagte er. „Hier werfen wir den Anker und lassen die beiden Boote aus. Wir sind am Ziel. Die Herren Sultan und Gouverneur werden sich wundern.“
    „Ich wollte, ich könnte mit, um die glücklichen Gesichter zu sehen!“ sagte der Steuermann. „Na, hast du jetzt die Freude, so hattest du auch die Gefahr vorweg.“
    Die Segel wurden gerefft; der Anker fiel, und als das Schiff keine Fahrt mehr machte, wurden die beiden Boote in See gelassen und bemannt. Nur der Somali und der Kapitän stiegen ein. Letzterer nahm eine ziemlich gefüllte Handtasche mit.
    Die Boote stießen vom Land ab und hielten auf das Ufer zu. Als sie gelandet hatten, stiegen die beiden Genannten aus und schritten auf den Berg zu, welcher dunkel vor ihren Augen lag. Sie dämpften dabei ihre Schritte. Der Somali hatte bereits seine Weisung erhalten. Er blieb an einer Stelle stehen, schob die Hand in den Rasen ein, zog ein wenig, und sogleich sah man, daß durch eine Spalte ein dünner Lichtschein nach außen drang. Der Kapitän blickte hindurch.
    Drin saßen die Flüchtlinge auf dem mit Blättern gepolsterten Boden. Don Ferdinande sprach mit Señora Emma. Wie ehrwürdig sah das Gesicht dieses Mannes aus, der so viel gelitten hatte, und welch eine reizvolle Anmut lag in den Mienen, in jeder Bewegung dieses als Knaben verkleideten Weibes! Wagner verstand so viel Spanisch, wie ein jeder guter Seekapitän verstehen muß; er verstand auch die Worte, welche halblaut gesprochen wurden.
    „Nur die Heimat will ich schauen und meinen Feinden in das Gesicht sehen; dann mag der Tod kommen!“ sagte Don Ferdinande.
    „Sie werden über ihre Feinde siegen und noch lange leben“, antwortete Emma. „Ich hoffe zu Gott, daß er uns hier recht bald einen Retter erscheinen läßt!“
    Da erklang vom Eingang her eine sonore, kräftige Stimme:
    „Er ist bereits da, dieser Retter!“
    Sie alle fuhren empor, bestürzt, erstaunt, erschreckt. Die Tür öffnete sich, und Wagner trat herein, von dem Schein der Fackel hell beleuchtet, hinter ihm Murad.
    „Mein Sohn!“ rief der alte Somali, stürzte auf ihn zu und warf die Arme um ihn.
    „Mein Gott, wer sind Sie?“ fragte der Mexikaner den Deutschen mit zitternder Stimme.
    „Ich bin der deutsche Seekapitän Wagner, Brigg ‚Seejungfer‘ aus Kiel“, lautete die Antwort. „Ich komme, Sie an Bord zu nehmen und hinzuführen, wohin Sie wollen.“
    „Herrgott im Himmel, endlich, endlich!“
    Der Graf sank in die Knie, so matt wurde er vor Entzücken. Emma kniete neben ihm nieder, um ihn festzuhalten. Sie schlang ihre Arme um ihn, legte den Kopf an den seinigen und vereinigte ihre Tränen mit den seinigen.
    „Mein Gott“, schluchzte er. „Nach so langen Jahren zeigst du mir deine Gnade wieder. Dich rühmen die Himmel, und dich loben die Welten; ich kann dich nicht genug preisen, ich bin zu schwach dazu; ich muß schweigen!“
    Auch Bernardo lehnte tränenden Auges an der Wand, während die Somali sich noch umschlungen hielten. Es war eine Szene, welche auch das Auge des Seemannes befeuchtete. Der Graf fand zuerst wieder das Wort. Er erhob sich, trat zu dem Kapitän, streckte ihm beide Hände entgegen und sagte:
    „Ein Deutscher sind Sie? Nein, ein Engel des Lichtes sind Sie, ein Bote Gottes, vom Himmel gesandt, um uns zu retten! Aber wie wissen Sie von uns?“
    „Der dort hat es mir gesagt“, sagte Wagner, auf Murad deutend.
    Dieser merkte, daß von ihm die Rede sei.
    „Er hat mich aus dem Gefängnis befreit, mit Gefahr seines eigenen Lebens“, sagte er in arabischer Sprache. „Er hat Zeyla bombardiert und selbst dem Sultan von Härrär Trotz geboten; er ist ein Held, Allah segne ihn, obgleich er ein Ungläubiger ist.“
    Es folgte eine Szene, die nicht zu beschreiben ist. Niemals hat im brillantesten Salon der Welt ein solches Entzücken geherrscht, wie hier im Eingeweide dieses Berges. Wie lange dauerte es doch, bis nur die notwendigsten Fragen ausgetauscht waren! Und dann ging es an das Erzählen in arabischer sowie spanischer Sprache und noch anderen Zungen, bis endlich die Herzen ruhiger wurden und die beiden Spanier vom Elend ihrer Sklaverei erzählten.
    „Aber bitte, wie soll ich Sie nennen?“ fragte der Kapitän den Grafen.
    Jetzt erst dachten die drei daran, zu sagen, wer und was sie seien. Wagner erschrak fast, als er vernahm, daß dieser langjährige Sklave ein Graf sei.
    „Verfügen Sie über mich“, sagte er. „Was ich tun kann, um Ihnen dienlich zu sein, das soll von

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