Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
befinde.
    „Holla, Branden, was ist's?“ fragte einer der Anwesenden. „Hat es etwa beim Alten eine Nase gegeben?“
    „Das und noch anderes“, antwortete der Mann mit einem Fluch.
    „Alle Teufel, also doch eine Nase! Weshalb?“
    „Das Regiment reitet zu kurz, hat überhaupt keine schneidigen Offiziere mehr, so meinte der Oberst. Ich soll das den Herren privatim mitteilen, damit es ihnen nicht später öffentlich vor der Front gesagt werden muß.“
    Er warf sich auf seinen Sitz, ergriff das erstbeste Weinglas und stürzte es hinab.
    „Keine schneidigen Offiziere mehr! Hölle und Teufel! Darf man uns so kommen. Das lassen wir nicht auf uns sitzen!“
    So und ähnlich rief es rund im Kreis. Man fühlte sich allgemein empört über die private Nase, welche nächstens vor der Front verlängert werden sollte. Der Adjutant nickte, stieß abermals einen Fluch aus und fügte hinzu:
    „Wenn man da oben eine solche Meinung von uns hat, so ist es nicht zu verwundern, daß das Gardeoffizierskorps jetzt aus den obskursten Elementen rekrutiert wird. Ich habe einen neuen Kameraden anzumelden.“
    „Ah! Für die Gardehusaren? An des verstorbenen von Wiersbicky Stelle? Wer ist es?“
    „Ein hessendarmstädtischer Linienleutnant.“
    „Alle Teufel! Einer von der Linie unter die Husaren! Und die Gardekavallerie!“
    „Zweiundzwanzig Jahre alt.“
    „Unmöglich! Noch dazu aus Hessen! Der Henker hole die neuen Verhältnisse!“
    „Und den Namen müßt Ihr hören, den Namen!“
    „Wie heißt er?“
    „Helmers.“
    „Helmers?“ fragte Ravenow. „Kenne keine Familie Helmers, auf Ehre, von Helmers – von Helmers, hm, kenne wahrhaftig keine!“
    „Ja, wenn es noch ein ‚von Helmers‘ wäre“, meinte der Adjutant erbost. „Der Kerl heißt eben einfach Helmers.“
    Da fuhren alle von ihren Sitzen empor.
    „Ein Bürgerlicher? Nicht von Adel?“ frug es durcheinander.
    Der Adjutant nickte.
    „Ja, es scheint weit zu kommen mit der Gardekavallerie“, sagte er. „Wenn mir der Grimm in den Kopf steigt, so fordere ich meinen Abschied. Ich dachte, mich rührte der schönste Nervenschlag, als ich das Nationale dieses neuen, sogenannten Kameraden einzutragen hatte. Der Kerl heißt Helmers, ist zweiundzwanzig Jahre alt, diente in der Darmstädter Linie und hat einen Vater, welcher Pächter eines kleinen Vorwerks bei Mainz ist und nebenbei auf irgendeinem alten Kahn als Steuermann funktioniert. Vermögen gibt es ganz und gar nicht, aber eine Protektion seitens des Großherzogs von Hessen scheint vorhanden zu sein. Der Major flucht über diesen Streich, welchen man uns spielt, der Oberst flucht, der General flucht, alle Exzellenzen fluchen, aber alles Fluchen hilft nichts, denn der neue Leutnant ist uns von hoher Seite herab beschert worden. Man muß ihn nehmen und dulden.“
    „Nehmen, aber keineswegs dulden!“ rief Graf Ravenow. „Wenigstens was mich betrifft, so dulde ich keinen Bauer- oder Schifferjungen neben mir. Der Kerl muß aus dem Regiment hinausignoriert werden.“
    „Allerdings, hinausignoriert, das sind wir uns einander schuldig“, stimmte ein anderer bei, und alle gaben ihm recht.
    Man glaubt nicht, wie exklusiv der Korpsgeist bei der Kavallerie ist und bei der Gardekavallerie noch viel mehr. Dort hält ein jeder Offizier sich als zur Elite gehörig. Man unterscheidet sogar zwischen einem Ahnen mehr oder weniger, und darum war es leicht erklärlich, daß der Eintritt von Kurt Helmers eine ebenso tiefe wie allgemeine Entrüstung hervorrief. Man einigte sich wirklich zu dem festen, ausgesprochenen Entschluß, ihn aus dem Regiment hinauszumaßregeln.
    Dabei blieb es, unbeachtet, mit welchem Interesse der amerikanische Kapitän dem Lauf der Unterhaltung folgte. Zwar gab er sich Mühe, die außerordentliche Teilnahme, welche er hegte, zu verbergen, aber trotz seines verschleierten Auges hätte man doch die Blitze bemerken können, welche es zuweilen unter den dichten, buschigen Lidern hervorschoß.
    „Und wann wird man diesen Phönix von einem Gardehusarenleutnant zu sehen bekommen?“ fragte einer der Herren.
    „Bereits heute“, antwortete der Adjutant. „Er hat heute seine Antrittsvisiten zu machen, wird sich im Laufe des Nachmittages beim Obersten vorstellen, und dann werde ich wohl die Ehre haben, ihn des abends hier den Kameraden zu präsentieren.“
    „So erscheinen wir heute nicht“, meinte Ravenow.
    „Warum nicht, lieber Ravenow? Es würde zu nichts führen, denn die Stunde kommt doch, in welcher

Weitere Kostenlose Bücher