46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
mir das Frauenzimmer vom Leib!“
Bei diesen Worten ergriff er das Gewehr eines seiner Untergebenen, welches noch geladen war. Zwei warfen sich auf Resedilla, um sie zurückzuziehen, und der dritte kniete auf dem am ganzen Körper blutenden Gerard, welcher sich noch einmal emporzubäumen versuchte, aber kraftlos niedersank.
„Gerard, mein guter Gerard!“ rief Resedilla, unter der vergeblichen Anstrengung, sich loszureißen.
„Leb wohl, Resedilla!“ hauchte er kaum hörbar.
Die Mündung des Gewehres gähnte gerade vor seiner Stirn. Er schloß die Augen. –
FÜNFTES KAPITEL
Eine Botschaft für den Präsidenten
Als Pepi und Zilli vorhin Gerard verlassen hatten, und in ihrer Herzensangst noch eine Strecke gelaufen waren, sahen sie einen dunkelhaarigen Mann die Felsen emporklimmen. Er hatte die Büchse über die Schulter geworfen und trug mexikanische Kleidung. Pepi blieb stehen und fragte:
„Wollen wir ihn anrufen, liebe Zilli?“
„Ja, er ist ein Mexikaner.“
„So laß uns vereint rufen!“
Sie erhoben ihre Stimmen und riefen. Der Mann hörte es, hielt an und blickte empor.
„Kommt schnell herauf, Señor!“ rief Pepi.
„Warum?“ fragte er.
„Die Franzosen sind in der Venta.“
Die Kletterbewegungen des Mannes waren erst mit langsamer Sicherheit vor sich gegangen, jetzt aber war es, als ob er Flügel erhalten habe. Er schnellte sich mehr, als er stieg, herauf und stand nun vor den Mädchen.
Als sie ihn so nahe sahen, wollten sie sich fast fürchten. Diese untersetzte, breitschultrige Gestalt! Diese Stirn, diese Augen, diese ernsten Züge.
„Wer seid Ihr, Señor?“ entfuhr es Pepi unwillkürlich.
„Ich bin ‚Büffelstirn‘, der Häuptling der Mixtekas“, antwortete er.
„Seid Ihr ein Freund des ‚Schwarzen Gerard‘?“
„Ja.“
„Und von Señor Pirnero?“
„Ja.“
„Da oben liegt Gerard im Sterben, und in der Venta sind Franzosen.“
Da leuchtete das dunkle Auge ‚Büffelstirns‘ grimmig auf.
„Wie viele?“ fragte er.
„Wir haben neun gesehen. Sie sind oben unter dem Dach.“
„Was tun sie da?“
„Der Graf ist oben.“
„Der Graf Rodriganda?“
„Ja.“
„Wer noch?“
„Señorita Resedilla mit noch zwei anderen Damen. Wir sahen sie mit dem Grafen nach oben steigen, ehe wir uns einschlossen.“
„Ah! Gibt es einen schnellen Weg nach der Venta?“
„Ja, dort rechts durch die Lücke. Aber die vordere Tür ist zu, Ihr müßt durch die hintere in das Haus.“
„Ich kenne das nicht und könnte zu spät kommen. Führt mich, Señorita! Diese andere Señorita mag hier an den Palisaden weitergehen, bis sie an das Tor kommt. Dort ruft sie nach dem Señor Sternau, dem sie alles genau erzählen muß.“
„Mein Gott, ich allein? Ich fürchte mich!“ sagte Zilli.
„Es ist keine Gefahr. Wir haben ja gesiegt. Rasch!“ sagte ‚Büffelstirn‘.
„Ich werde an das Tor gehen“, entschied die entschlossene Pepi. „Führe du den Señor, liebe Zilli!“
Sie eilte fort.
„Kommt, Señorita, aber schnell, sehr schnell!“ sagte ‚Büffelstirn‘.
Er ergriff die Hand des Mädchens und schritt mit ihr davon, so daß sie fast springen mußte, um mit ihm fortzukommen. Als sie die Stelle erreichten, wo Gerard gelegen hatte, blieb das Mädchen erstaunt vor der Blutlache stehen.
„In diesem Blut lag der ‚Schwarze Gerard‘“, sagte sie. „Er ist fort!“
„Habt Ihr es ihm gesagt, daß die Franzosen in der Venta sind?“
„Ja.“
„So ist er dort. Weiter!“
Sie kamen durch die Palisadenlücke. Zilli führte den Häuptling auf dem Weg, den sie selbst gegangen war, zurück. Als sie den Hausflur betraten, ertönte oben ein Schuß. Es war derselbe, dessen Kugel Resedilla so glücklich abgeleitet hatte.
„Gott, sie werden ermordet!“ rief Zilli.
„Bleibt unten, Señorita“, sagte ‚Büffelstirn‘.
Er riß sein Doppelgewehr vom Rücken und sprang erst die untere und dann auch die obere Treppe empor. Er kam gerade in dem Augenblick an, als der Sergeant dem ‚Schwarzen Gerard‘ die Mündung des Gewehres vor die Stirn brachte.
„Hund!“
Mit diesem Worte rannte ihm der Häuptling den Kolben so in die Seite, daß der Franzose mehrere Ellen weit fortgeschleudert wurde. Ein zweiter Kolbenstoß traf den, welcher auf Gerard kniete, so an den Kopf, daß er die Besinnung verlor. Im Nu hatte sich der Häuptling herumgedreht. Er sah die zwei, welche Resedilla hielten. Seine Büchse fuhr empor, zwei Schüsse krachten, und die beiden Franzosen stürzten
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