46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
des Kapitäns zu finden und auch den Sattel, den er dem Tier auflegte. Er zog es heraus und band den Herrn fest darauf. Dann holte er ein ungesatteltes Pferd für sich, schwang sich nach echter Vaqueroart auf und ritt, das andere Tier an der Leine führend, erst langsam und dann in gestrecktem Galopp davon.
Er hatte keine Zeit zu verlieren, denn er mußte in fünf Tagen wieder zurück sein. Daß er ein Pferd für sich genommen hatte, war keineswegs ein Diebstahl. Wo die Pferde frei herumlaufen, darf man das erste beste sich einfangen, wenn man es nur wieder frei gibt, damit es zurücklaufen kann. Ein jeder Besitzer erkennt seine Tiere an dem eingebrannten Zeichen.
Gerard setzte über den Puercos-Fluß hinüber und jagte weiter durch Täler und über Berge und Prärien immer nach Südwest hin. Dem Kapitän war jedenfalls schon längst die Besinnung zurückgekehrt, doch zog er es vor, sich schweigsam zu verhalten und keinen Laut von sich zu geben.
Während dieses Parforcerittes ging Gerard mit sich über das Schicksal seines Gefangenen zu Rate. Ihm selbst war heute so viel Gnade und Vergebung zuteil geworden, daß er sein Herz zur Milde gestimmt fühlte; aber die Klugheit und das Gerechtigkeitsgefühl geboten ihm das Gegenteil.
Noch während des nächtlichen Dunkels bemerkte er, daß der Kapitän auch ohne seine Fesseln fest im Sattel saß und den Schenkeldruck ausübte, er mußte sich also wieder ganz wohl befinden. Und als der Tag zu grauen begann, da sah er, daß der Gefangene die Augen offenhielt und wohlgemut in die Ferne blickte.
Jetzt sprang Gerard vom Pferd und band auch den anderen los; die Fesseln aber nahm er ihm nicht ab. Dies löste das bisher beibehaltene Schweigen.
„Ihr habt bisher Theater mit mir gespielt, Señor“, sagte der Kapitän. „Ich hoffe, daß Ihr mich nun endlich freigeben werdet.“
„Täuscht Euch nicht!“ lautete die Antwort. „Ich halte nur an, um über Euch zu Gericht zu sitzen.“
„Pah!“ lachte der andere. „Macht keinen dummen Spaß!“
„Ich meine es sogar sehr ernst. Ich werde Euch die Beine entfesseln, damit Ihr wenigstens sitzen könnt. So, und nun mag es beginnen.“
„Na, wenn es Euch gefällt, so spielt Eure Rolle weiter!“
„Das werde ich. Ich mache Euch jedoch darauf aufmerksam, daß ich nur fünf Minuten für Euch übrig habe.“
„Das ist mir lieb!“ lachte der Offizier.
„Und daß Ihr dann eine Leiche sein werdet.“
„Papperlapapp!“
„Scherzt Euch immerhin in den Tod hinein; ich habe nichts dagegen. Doch sagt mir zunächst, daß Ihr mich kennt!“
„Nein, ich habe nicht die Ehre!“
„Nun, so erlaubt, daß ich mich Euch vorstelle. Man nennt mich den ‚Schwarzen Gerard‘.“ Als der Gefangene diesen Namen hörte, erbleichte er. Der Jäger aber fuhr fort:
„Wenn ein Gefangener in die Hände der Franzosen fällt, wird er ohne Barmherzigkeit erschossen, obgleich Präsident Juarez Eure Kameraden, die er gefangennimmt, gütig behandelt hat. Ich gehöre zu Juarez, und Ihr seid mein Gefangener. Was wartet also Eurer? Der Tod!“
„Señor! Ich bin Offizier!“ brauste der Kapitän auf.
„Ihr habt Euch nicht als Offizier betragen, werdet also auch nicht als solcher behandelt. Weiter, der zweite Anklagepunkt: Das Auge, welches die Reize von Señorita Resedilla gesehen hat, darf nichts mehr sehen, und der Mund, der ihre Lippen geküßt hat, muß sich schließen. Also: Tod!“
„Wer gibt diese Gesetze?“
„Das letztere habe ich gegeben, denn die Señorita ist ein Engel, und ich bete sie an. Ihr habt sie Euren Begierden opfern wollen, also: Tod!“
„Ihr seid ein Teufel!“
„Das mag Gott entscheiden. Ferner: Ihr seid als Spion zu den Comanchen gegangen, um sechshundert Krieger zu holen – also: Tod!“
Der Gefangene erbleichte. Er widersprach nicht. Gerard fuhr fort:
„Ihr wolltet in fünf Tagen mit Eurer Kompanie das Fort Guadeloupe überfallen, also: Tod! Diese Gründe sind genug; die anderen, welche ich noch habe, will ich fallenlassen. Habt Ihr an jemanden etwas auszurichten?“
Gerard griff zu seiner Büchse, und nun erst sah der Gefangene ein, daß es vollständig ernst sei mit dem Urteilsspruch.
„Ihr werdet doch nicht!“ rief er.
„Ich werde unerbittlich sein! Ihr habt meine letzte Frage nicht beantwortet. Ich habe keine Zeit mehr. Betet ein letztes, lautes Vaterunser!“
„Wenn du mich tötest, so bist du nicht ein Richter, sondern ein Henker, ja, mein Mörder.“
„Pah! Ein jeder Franzose, der sich
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