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46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra

Titel: 46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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doch ausgesucht sinnlich, daß man staunend bewundern mußte. Da lag kein Puder auf den Wangen; da war nichts imitiert an der herrlichen Gestalt, und doch hätte man kaum glauben mögen, daß die Natur fähig sei, ein Weib in solch poetischer und üppiger Vollendung zu schaffen.
    Wie arm und gering stand dagegen der Präriejäger vor ihr, der im letzten Zimmer seine Kutte wieder abgeworfen hatte. Und doch hielt er seine Gestalt stolz erhoben, und doch leuchteten ihre Augen vor Glück und Wonne, ihn bei sich zu sehen. Sie trat ihm entgegen, gab ihm beide Hände und rief:
    „Endlich, endlich wieder einmal, lieber Gerard. Ich danke dir, daß du mir diese Freude machst. Komm, laß dich küssen!“
    Sie umarmte ihn und küßte seinen Mund mit der Innigkeit einer glücklichen Braut, während er sich nicht veranlaßt fühlte, diesen Kuß zu erwidern. Dann zog sie ihn nach dem Samtdiwan, schob ihn auf diesen nieder, setzte sich neben ihn, schlang die Arme um ihn und legte ihr Köpfchen, dieses von einem Maler gar nicht wiederzugebende Köpfchen, an sein Herz.
    „Du wolltest ausgehen, wie ich sehe?“ nahm er kalt das Wort.
    „Ja. Ich wollte zwei Stunden zur Tertulia (Gesellschaftsvergnügen), und dann erwartete ich den Major. Doch verzichte ich herzlich gern auf das Vergnügen, wenn ich nur das Glück habe, dich bei mir zu sehen.“
    „Auf welches Vergnügen willst du verzichten?“ lächelte er. „Auf die Tertulia oder den Major?“
    „Auf das erstere; das letztere ist kein Vergnügen.“
    „Ich glaube es.“
    „Und dieser häßliche Kapitän – ah, weißt du, daß er seit mehreren Tagen nach auswärts ist?“
    „Wohin?“
    „Niemand weiß es.“
    „Auch dein süßer Major nicht?“
    „Nein.“
    „Aber der Kommandant muß es wissen!“
    „Jedenfalls.“
    „So ist dies ein böses Zeichen für uns.“
    „Ah, für uns? Inwiefern?“
    „Der Kapitän ist mit einer geheimen Rekognoszierung betraut worden, und der Kommandant hat dies dem Major verschwiegen; dies ist jedenfalls ein unfehlbarer Beweis, daß er letzterem mißtraut und ihn nicht für verschwiegen hält.“
    „Von diesem Gesichtspunkt aus habe ich die Angelegenheit noch gar nicht betrachtet. Ich sehe, daß du scharfsinniger bist als ich, lieber Gerard.“
    „Ein anderes mal bist du klüger. Wir müssen uns eben ergänzen.“
    „So möchte ich wissen, wohin der Kapitän gegangen ist. Ich muß es auf alle Fälle zu erfahren suchen und werde mich da an den Kommandanten halten müssen.“
    „Ist er liebenswürdig gegen dich?“
    „Ja.“
    „Ah, so hat er endlich angebissen!“
    „Das freilich, aber leider nur wie ein großer, schwerer Fisch, der die dünne Angelschnur jeden Augenblick zerreißen kann. Kürzlich hat er mich um einen diskreten Abend gebeten.“
    „Hast du zugesagt?“
    „Noch nicht. Ich wollte die Schnur erst stärker werden lassen und dieses tête-à-tête bis zu einem Zeitpunkt aufheben, an welchem es gilt, etwas Wichtiges von ihm zu erfahren. Ich werde ihm den morgigen Abend gewähren, und du sollst dabei zugegen sein und den Lauscher machen.“
    „Das geht nicht, denn ich muß unbedingt diese Nacht wieder fort.“
    „O weh! So werde ich dich heute nicht bei mir haben?“
    „Leider nein.“
    „Ist deine Eile so dringend geboten?“
    „Sehr dringend. Ich habe seit gestern nacht oder vielmehr vorgestern abend ohne Unterbrechung auf ungesattelten Pferden gesessen und wohl gegen fünfzig geographische Meilen zurückgelegt. Daraus magst du sehen, wie dringlich die Sache ist.“
    „Du Ärmster!“ sagte sie, ihm die Wangen zärtlich streichend und dann seinen Mund küssend. „Du wirst dich dabei aufreiben. Du hast gar nicht geschlafen?“
    „Nein.“
    „Und mußt diesen Weg in derselben Weise ohne Schlaf zurücklegen?“
    „Freilich. Doch habe ich eine eiserne Konstitution; ich werde es aushalten.“
    „Aber wenn du heute schon fort mußt, so wirst du morgen nicht erfahren, weshalb der Kapitän vom Kommandanten ausgeschickt worden ist!“
    „Das weiß ich bereits, liebes Kind“, sagte er lächelnd.
    „Wirklich, wirklich?“ fragte sie erstaunt.
    „Sogar sehr genau weiß ich es. Ich habe nämlich den Kapitän getroffen und alles gehört und belauscht.“
    „Gerard, du bist wirklich ein ganz außerordentlicher Mensch!“
    „O nein“, antwortete er bescheiden. „Es lag hier nur ein einfacher Glücksumstand vor, sonst hätte ich gar nichts erfahren. Ich wurde von ‚Bärenauge‘ aufmerksam gemacht.“
    „Das ist der

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