46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
entgegengähnte; es war geradezu unbegreiflich.
Zudem wurden große Feuer gemacht, deren Flammen haushoch emporloderten, sodaß selbst der kleinste Zweig hell erleuchtet wurde. Dann holte man die Proviantvorräte herbei, und nun wurde gebraten und gekocht, als ob man sich hier unter den sicheren Hallen von Paris, nicht aber an den Teufelsbergen von Nordamerika befinde. Das Tal war in zehn Minuten von Bratenduft erfüllt, welcher einem Indianer diese Truppe meilenweit hätte verraten müssen. Nur Franzosen verfahren in dieser Manier, obgleich man gerechterweise gestehen muß, daß gerade die französischen Waldläufer und Pelzjäger des Felsengebirges die kühnsten, erfahrensten und vorsichtigsten sind.
In einem der Zelte, welche in der Mitte des Platzes errichtet worden waren, saßen die bereits erwähnten fünf Mexikanerinnen. Vielleicht gehörten sie nicht zu den Verirrten, welche ihre Schönheit zum Gegenstand der Bezahlung machten. Die Mexikanerin ist Südländerin und als solche feurig. Das Blut pulsiert glühend durch ihre Adern und läßt dem Verstand nicht Zeit zu einer kühlen Abschätzung dessen, was der Sitte entsprechend ist oder nicht. Dazu kommt noch, daß die Gewohnheiten des Landes in Beziehung auf die geschlechtliche Liebe und den Umgang zwischen den beiden Geschlechtern keine so strengen sind wie bei uns. Man liebt, und verbirgt das nicht, sondern man gibt sich hin, um die Süßigkeiten der Liebe durchzukosten.
Darum war es noch immerhin möglich, daß diese fünf Mädchen nicht nach unserem Sinne zu den Verlorenen gehörten. Sie liebten die Uniformen und die Träger derselben; sie waren ihnen gefolgt, um ihnen die Reise und das öde Lagerleben zu würzen, darin lag nach ihren Begriffen keine Sünde. Darum saßen sie jetzt in ihrem Zelt und erzählten sich ganz unbefangen, indem sie auf den Ruf zum Abendmahl warteten, den Erfolg, welchen ihre Schönheit bisher errungen hatte.
Das Zelt stand offen, und so drang der Schein des Feuers herein, der das Dunkel desselben in ein rötliches Zwielicht verwandelte.
Drei von ihnen saßen so, daß sie von dem Feuer hell beleuchtet wurden. Es war ja ihre Absicht, von draußen gesehen zu werden. Zwei aber hatten sich in den tiefsten Hintergrund zurückgezogen. Dicht aneinander geschmiegt, flüsterten sie leise. Es waren Pepi und Zilli, die beiden Schwestern, von denen der Kapitän mit dem Premierleutnant gesprochen hatte.
„Also, du liebst den Kapitän nicht?“ fragte Pepi.
„Ich hasse ihn“, klang es leise, aber in sehr bestimmtem Ton zurück.
„Warum?“
„Er ist ein Tyrann. Und du? Liebst du diesen Oberleutnant?“
„Pah, ich verachte ihn!“
„Warum?“
„Er blickt mich nur durch das Monokel an, etwa so, wie man durch das Mikroskop einen gefangenen Floh beobachtet. Er ist ein Ignorant.“
„Und diese beiden wollen uns besitzen!“
„Haben sie uns nicht bereits besessen?“
„Mich nicht.“
„Mich auch nicht. Aber sagst du auch die Wahrheit, Zilli?“
„Ich schwöre es dir zu. Diesem Kapitän ist es zwar gelungen, einige Male den Arm um meine Taille zu legen und dabei meine Schulter zu küssen, aber den Mund habe ich ihn nicht berühren lassen.“
„O, das ist hier fast gleich, denn deine Schulter ist so verführerisch, meine liebe Zilli. Ich glaube es ihm, daß er schmachtet!“
„Und du, Pepi? Dein Leutnant?“
„Pah! Ich habe ihm erlaubt, das Haar und die Hand zu küssen, weiter nichts. Gestern war er so kühn, mich an sich zu drücken; da gab ich ihm einen Stoß vor die Nase, daß ihm das Monokel zerbrach. Heute hat er ein anderes. Er muß sehr viele dieser Augenklemmer bei sich haben.“
„Hast du die Blicke gesehen, mit denen wir heute beobachtet wurden?“
„Ja.“
„Wie hast du sie gefunden?“
„Sehr zur Vorsicht mahnend.“
„Ich ebenso. Mir ist, als ob mir ein Unheil drohe.“
„Ich habe dasselbe Gefühl. Ich glaube, diese beiden Offiziere haben etwas vor, was uns Unglück bringen kann. Wer wird uns da schützen?“
„Die beiden Deutschen.“
„Glaubst du?“
„Sicher.“
„O, sie lieben uns doch nicht!“
„Aber sie sind edel und mutig. Sie werden nicht dulden, daß man uns kränkt.“
„Ich habe diese Zuversicht nicht. Oder ist Doktor Willmann gestern liebenswürdiger gegen dich gewesen?“
„Nein.“
„Aber er hat dir wenigstens erlaubt, wiederzukommen?“
„Ja. Und Doktor Berthold?“
„Auch er ist sich gleich geblieben. Ich habe ihn so unendlich lieb und mußte weinen. Das
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