46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
erschien. Es war ‚Bärenauge‘. Den blutigen Tomahawk im Gürtel, das Messer in der Rechten und mehrere frische Skalpe in der Linken, sah er im Schein der flackernden Flamme aus wie die Verkörperung des Geistes der Prärie, welcher der Indianersage nach mit bluttriefenden Waffen und rauchenden Kopfhäuten über die wilde Savanne jagt.
Er warf einen kurzen Blick auf den General und wendete sich dann an Gerard.
„Mein weißer Bruder hatte einen sehr guten Plan entworfen.“
„Ihr habt gesiegt?“ fragte Gerard.
„Uff!“ antwortete der Häuptling verächtlich. „Es ist für die Krieger der Apachen eine Unmöglichkeit, nicht zu siegen. Aber sie hatten den Feind so gut umstellt, daß ihnen kein einziger entkommen ist.“
„So sind sie alle tot?“
„Alle!“
„Und die Pferde?“
„Sie stehen noch da, wie wir sie gefunden haben.“
„Das ist ein Glück! Wir können sie gegen die herabgekommenen Packpferde umtauschen und noch in dieser Nacht den Rückweg antreten.“
„Wer ist das Bleichgesicht an deiner Seite?“
„General Hannert. Und hier liegt das Geld, welches er unserem Freund, dem Präsidenten Juarez, bringt.“
„Er ist ein tapferer Mann; er hat den Comanchen widerstanden, bis wir kamen. Ich werde die Pfeife des Freundes mit ihm rauchen und sein Bruder sein.“
Jetzt kamen die Apachen herbei, mit Skalpen und Beute behangen. Es ist besser, diese Szene nicht auszumalen. Der wahre Christ muß unbedingt die Politik verdammen, welche eine ganze Nation dadurch zum Untergang zu bringen trachtet, daß er die einzelnen Stämme gegeneinander aufhetzt und in die Waffen bringt. Es genügt zu sagen, daß der Sieg ein vollständiger war. Die vorher so bedrängten Amerikaner waren mit ihren Schätzen gerettet und zogen, von den Apachen begleitet, weiter. – – –
Für den Geschichtsschreiber gibt es keine Zeiträume und Ortsentfernungen. Er überspringt sie spielend, ohne sich von seinem Schreibtisch zu erheben. Von diesem Recht machen auch wir Gebrauch, indem wir uns aus der Savanne in Neu-Mexiko nach Norden versetzen, um Personen zu sehen, welche uns im höchsten Grad interessieren müssen.
Als Ferdinando Cortez Mexiko erobert hatte, ließ ihm der König von Spanien sagen, er solle sich etwas erbitten, was ihm sofort gewährt werden solle. Da dachte der schlaue Spanier an Dido, welche Karthago gegründet hatte. Er tat dasselbe, was diese berühmte Königin getan hatte, und erbat sich so viel Land, als er mit einer Kuhhaut umspannen könne. Diese Bitte wurde ihm, da sie sehr bescheiden klang, gewährt. Da ließ er eine große Haut in haardünne Streifen schneiden und umspannte auf diese Weise ein Areal welches natürlich größer war, als der König geahnt hatte.
Diese Besitzung und die in ihr gegründete Stadt besteht noch. Sie wird zum Andenken an jenen Streich Cuernavaca genannt, zu deutsch ‚Kuhhaut‘.
Das alte Schloß ist ein großes Viereck, welches in architektonischer Beziehung keine Bedeutung hat. Jetzt in eine Kaserne verwandelt, besitzt es nichts, was an die vergangene Pracht und Herrlichkeit erinnern könnte.
Die Stadt ist klein, und wie alle mexikanischen Städte sehr regelmäßig gebaut, jedoch teils schlecht, teils gar nicht gepflastert. Von Trottoirs und Gas ist keine Rede, nicht einmal Öllampen gibt es in den Straßen.
Und dennoch befand sich in dem kleinen, unscheinbaren Ort das Hoflager des Kaisers Max von Mexiko, welcher hier ganz in der Weise eines Privatmannes lebte.
Dieses hatte seinen Grund in der prächtigen Lage des Städtchens.
Es liegt kaum dreißig Leguas von Mexiko entfernt im Tal, von allen Seiten gegen Wind geschützt. Bezaubert durch die Schönheit und den Reichtum der tropischen Natur, hatte der poetische Sinn des Kaisers sich dieses Eldorado als Erholungsort erkoren. Es war sein Lieblingsaufenthalt. Wenn die Staatsgeschäfte ihm und der Kaiserin gestatteten, die Sorgen der Hauptstadt auf einige Tage abzuschütteln, so eilten die Majestäten nach Cuernavaca, um Ruhe für den Geist und Körper zu finden. Bisweilen zog sich Max allein dahin zurück, um, fern von französischen Machinationen und Einflüssen, sich mit einigen Vertrauten ernsten Reformplänen zu widmen.
Es ist schwer, sich etwas weniger Kaiserliches zu denken wie die bescheidene Villa, welche der Kaiser dort gemietet hatte. Aber welche Umgebung!
Der Garten machte den Eindruck einer Zauberlandschaft; der Beschauer wähnte sich in ein Feenreich versetzt. Dennoch war alles Natur und nicht
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