46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
Kunst! Keines Gärtners Hand hatte die wilde Jungfräulichkeit des die Villa umgebenden Rosenwaldes entweiht. Haushohe Kaktus- und Alongpflanzen, mächtige Palmen verschiedenster Gattung, wilde Zitronen- und Orangenbäume und vereinzelte majestätische Zypressen überragten ein Gefilde hochstämmiger Rosen, welche in allen Farben prangten.
Und als ob die Königin der Blumen eifersüchtig gewesen sei auf diese stolzen Repräsentanten eines dunkel- und hellgrünen Blätterreichtums, so schlangen sich um Stämme und Äste die verschiedenartigsten Lianen und Schlingpflanzen, hier schneeweiß, dort dunkelrot, purpurn erglühend, violett und rosa, alle himmelwärts strebend und mit ihren Düften wetteifernd mit den Wohlgerüchen, die den Millionen und Abermillionen von Rosen entströmten.
Durch diese duftende Wildnis schlängelten sich ländliche Fußwege, deren Stille durch das Halleluja der buntgefiederten Vögel unterbrochen wurde. Es war ein Paradies im kleinen, ein Eden, für welches sich selbst Hafis, der persische Dichter, der Sänger der Liebe und der Rosen, hätte begeistern müssen.
Auf einem dieser Wege wandelte Kaiser Max, an seiner Seite ein Mann in reicher, goldstrotzender Nationaltracht. Dieser Mann, dunkelhaarig und dunkeläugig, war von nicht hoher, aber sehniger Gestalt. Sein gelb angehauchtes Gesicht zeigte eine große Beweglichkeit der Mienen, und in seinen Augen brannte eine Glut, wie sie nur dem Südländer eigen sein kann. Es war General Mejia, jener treue Freund des Kaisers, welcher später mit ihm am 19. Juni 1867 auf dem Cerro vor Querétaro erschossen wurde.
Die beiden Spaziergänger waren augenscheinlich in ein sehr ernstes Gespräch vertieft.
„Sie malen jedenfalls zu schwarz, lieber General“, sagte der Kaiser in seiner sanften Weise, indem er eine der Rosen vom Zweig brach und ihren Duft einsog.
„Wollte Gott, Majestät hätten recht!“ antwortete Mejia. „Und wollte Gott, ich dürfte so sprechen, wie ich reden möchte!“
Da hielt der Kaiser seinen Schritt an, sah dem General forschend in das Auge und fragte in beinahe erstauntem Ton:
„Warum sprechen Sie nicht so?“
Der Gefragte ließ seinen Blick über die Rosenflut gleiten, schwieg eine ganze Weile und antwortete dann langsam:
„Dies verbietet mir die Majestät des Kaisers.“
Max blickte zu Boden und meinte halb scherzend und halb traurig:
„Ist meine Majestät so glänzend, so blendend? Ich dachte nicht, daß der Anblick meines Thrones einen so niederschmetternden Eindruck macht!“
„Und doch muß ich bei meinem Ausspruch beharren.“
„Aber ich bin hier in Cuernavaca nicht Kaiser, sondern Privatmann!“
„Das ist eine Huld, welche die Anhänger Eurer Majestät dankbar anerkennen; aber man darf dem Privatmann trotzdem nicht sagen, was den Kaiser kränken oder beleidigen könnte.“
Da legte Max seine Hand hastig auf den Arm des Generals und sagte:
„Sprechen Sie in Gottes Namen, lieber General! Der Kaiser wird Ihnen nicht zürnen.“
„O doch, Majestät!“
„Nun, so befehle ich es Ihnen!“
Diese wenigen Worte wurden in einem Ton gesprochen, welcher jeden Widerspruch ausschloß. Darum meinte der treue General:
„So werde ich gehorchen, selbst auf die Gefahr hin, mir die allerhöchste Gunst zu verscherzen.“
„Meine Gunst bleibt Ihnen treu. Denken Sie, daß Sie mit einem Freund, einem Vertrauten, sprechen, welcher auch Unangenehmes vertragen kann. Wir sprachen von meinen Reformplänen. Sie stimmen nicht bei?“
„Ich kann leider nicht!“
„Warum?“
„Majestät haben einen hocherlauchten Ahnen, welcher von gleichem Eifer durchdrungen war.“
„Ah, Sie meinen Joseph den Zweiten?“
„Ja. Der Lohn seines Strebens war Undank und Enttäuschung.“
„Nicht durchaus!“
„Aber doch zumeist!“
„Er ging zu rasch vor. Er war den Verhältnissen vorausgeschritten!“
„Und doch war er in diesen Verhältnissen geboren und aufgewachsen. Sie waren ihm nicht fremd; er kannte sie genau; aber seine Begeisterung für das Glück seines Volkes ließ ihn die Macht dieser Verhältnisse verkennen.“
„Sie urteilen scharf, aber doch vielleicht nicht ganz unrichtig, General.“
„Ich danke für diese Zustimmung und erlaube mir einen Vergleich.“
„Zwischen ihm und mir?“
„Ja.“
„So wird dieser Vergleich wohl schwerlich zu meinen Gunsten ausfallen!“ sagte der Kaiser mit mildem Lächeln.
„O, Majestät teilen die Begeisterung ihres edlen Vorgängers, aber Majestät befinden sich auf
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