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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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gehalten hatten, nur das Halbblut war, das sich als Mensch ausgab.
    Kai erwiderte ihr Starren. Die Erinnerung verdüsterte seinen Blick, als er den Blicken der Männer begegnete, die ihn gnadenlos verprügelt hatten, als sie sich das letzte Mal so nahe gewesen waren. Er hielt noch immer die Zügel der Pferde umklammert, als wäre er bereit, sofort zu flüchten, falls sie ihn angreifen sollten.
    Nur Chikara trat vor und grinste erleichtert. Er streckte die Hand aus und nahm Kai die Zügel des Pferdes aus der Hand, das sein Vater geritten hatte. Oishi sah, wie er sich kurz, aber deutlich erkennbar vor seinem früheren
sensei
verbeugte und ihm ein Willkommenslächeln schenkte. Es war so aufrichtig, als versuche er, ganz allein das Misstrauen und die Feindseligkeit auf den Gesichtern der noch immer um Oishi versammelten Männer wettzumachen.
    Oishi fühlte sich einen Moment lang verwirrt. Von allen Anwesenden hatte nur sein Sohn das Halbblut so begrüßt, wie seine Männer ihn begrüßt hatten. Er hatte das Gefühl, neben sich zu stehen und ein Theaterstück zu sehen, ohne zu begreifen, was darin geschah.
    Er seufzte und sah sich erneut um. Kai ging mit Chikara und half ihm, die Pferde zu versorgen. Der Rest seiner Leute wandte seine Aufmerksamkeit wieder ihm zu.

    Oishi lauschte mit letzter Kraft Chikaras Bericht und danach den einzelnen Geschichten und Informationen, die die von Chikara aufgespürten Ronin mitgebracht hatten – zumindest diejenigen, die sich ihm angeschlossen hatten. Sie steuerten erfreulich viel zu seinen bisherigen Kenntnissen der Situation bei.
    Nachdem er alle Berichte angehört und seine eigene Geschichte erzählt hatte, war es bereits mitten in der Nacht. Er hatte alle schlafen geschickt und wäre auf seinem Hocker am Lagerfeuer eingeschlafen, wenn Chikara ihn nicht dazu gezwungen hätte, sich hinzulegen. Dann hatte er beide mit seinem Umhang zugedeckt, um sie vor der Kälte zu schützen.
    Oishi schloss die Augen und sein letzter Gedanke galt Kai, den er seit ihrer Ankunft nicht mehr gesehen hatte. Er fragte sich, ob das Halbblut die Unterhaltungen irgendwo außerhalb des Lichtscheins der Lagerfeuer verfolgt hatte ... ob er lieber bei den Pferden schlief als bei den Samurai, die alles außer ihrem Glauben an ihre eigene Überlegenheit verloren hatten ... ob er am Morgen noch da sein würde ...

    Der Morgen kam viel zu schnell. Die blendenden Sonnenstrahlen zerrten an seinen Augenlidern, wie eine beharrliche Mutter, die ihren faulen Sohn zum Aufstehen zwang. Allmählich wurde sein Bewusstsein klar, und er wusste wieder, wo er sich befand. Als er richtig wach war, hatte er eine böse Vorahnung, die seinen ganzen Körper in Alarmbereitschaft versetzte.
    Die meisten Männer rumorten bereits und schürten die heruntergebrannten Feuer, um Tee und ein Mahl zuzubereiten. Sie waren ebenso gespannt wie er, wie sich all die von ihnen gesammelten Puzzleteile zu dem Plan zusammensetzen würden, den er ihnen versprochen hatte. Sie waren voller Hoffnung, dass sie ihr Leben nicht mit niederen Arbeiten verbringen mussten, oder gar mit Dingen, die ihnen als Samurai per Gesetz verboten waren. Oder dass sie ein Leben führen mussten, in dem sie nirgendwo hingehörten.
    Gemeinsam betrachteten sie das Panorama, das Oishi bei seiner Ankunft in der vergangenen Nacht verborgen geblieben war: der Grund, weshalb dieser Ort Berg des Buddha hieß. Vor Ewigkeiten war dies ein viel größerer Berg gewesen, ein Vulkan, der mit solcher Wucht ausgebrochen war, dass er glühende Ascheteilchen bis ins Auge von Amaterasu geschleudert haben musste. Nach zahllosen Jahrhunderten natürlicher Heilung war ein riesiger Krater mit steilen Wänden übrig geblieben, der von reichhaltiger Vulkanerde bedeckt war und jetzt von den Pflanzen des neuen Frühlings mit Gold und Grün überzogen wurde.
    Von allen Seiten führten gleichermaßen steile Aufstiege zum zerklüfteten Rand des Kraters. Am höchsten Punkt des Randes lagen die Überreste eines längst verlassenen, uralten buddhistischen Tempels. Spuren des Blattgolds, das einst sein Dach und seinen Eingang geziert hatte, glänzten noch immer im Sonnenlicht. Die Männer wandten sich ihm zu und senkten in schweigendem Gebet ihre Köpfe.
    Das erste Mal war Oishi als kleiner Junge in Begleitung seines Vaters und des wesentlich jüngeren Fürsten Asano auf einer Pilgerreise hierhergekommen, nachdem die Frau ihres Fürsten verstorben war. Oishi erinnerte sich daran, wie überrascht er gewesen war,

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