47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
hatte, und richtete sich gerade rechtzeitig auf, um den Schock auf Oishis Gesicht zu sehen, weil ein Halbblut ihm mit der Rache eines Samurai gedroht hatte. Aber dann verwandelte sich die Fassungslosigkeit in etwas, das eher wie Erleichterung aussah, denn ihm wurde klar, dass Kai sich gerade seiner Blutrache angeschlossen hatte. Er seufzte, als Kai sich davonmachte, um sich umzuziehen.
»Von wem hast du gelernt, so zu kämpfen?«, rief Oishi plötzlich.
Kai sah über die Schulter zu ihm zurück, und die Ironie verwandelte sein schiefes Lächeln in ein Schmunzeln. »Von Dämonen.«
13
Sie erreichten den Berg des Buddha, den Ort, den Oishi Chikara als Treffpunkt genannt hatte, bei Sonnenuntergang seines fünften Reisetags mit Kai.
Oishi hatte während der Reise wenig gesprochen und Kai, der ebenfalls kaum etwas sagte, hatte nur hin und wieder einsilbige Fragen gestellt:
Wo war er die ganze Zeit gewesen? Wohin ging die Reise? Wer würde dort sein? Und was dann ...?
Er hatte so gut es ging geantwortet und bemerkt, dass ihm die Erklärungen immer leichter fielen, je länger sie zusammen ritten. Er war noch immer erleichtert, dass Kai nicht den Drang hatte, sich zu unterhalten, wie man es vielleicht bei zwei Fremden erwartet hätte, die sich zufällig auf der Straße begegnet waren und das gleiche Ziel, das gleiche Schicksal hatten.
Nicht jeder Streuner hatte sich verlaufen
.
Er hatte Kai nur eine Frage gestellt, denn er hatte in seinen wenigen Stunden auf der Insel der Holländer mehr als genug gesehen und erfahren, um keine weiteren Fragen zu haben. Doch während sie ritten, murmelte Kai manchmal kaum hörbar vor sich hin und starrte dabei geradeaus oder auf den Boden. Dieses Verhalten irritierte Oishi zunehmend, bis er es endlich zur Sprache brachte und Kai fragte, warum er das tat.
Kai hatte zu ihm herübergeschaut, als hätte er vergessen, dass er nicht allein war. »Beten«, murmelte er und wandte sich wieder ab, als wäre nichts weiter dabei.
Danach war Oishi davon überzeugt, dass einer von ihnen den Verstand verloren hatte, er war sich nur nicht sicher, wer.
Obwohl Oishi bezweifelte, dass Kai jemals zuvor ein Pferd geritten hatte, ging das Halbblut mit seinem Reittier mit derselben Leichtigkeit um, die er zuvor beim Zähmen der Burghunde als Zwingerjunge an den Tag gelegt hatte. Es war, als ob er mit den Tieren auf einer Ebene kommunizierte, zu der ein normaler Mensch keinen Zugang hatte. Allerdings war er auch in der Lage, Dämonen zu sehen, die ein normaler Mensch ebenfalls nicht sah ...
Oishi wusste weniger als je zuvor, was genau das Halbblut eigentlich war. Und dennoch, je öfter er einen Blick auf Kai warf, der sein langes Haar zurückgebunden hatte, in Kimono und
hakama
gekleidet war, ein durch seine Gürtelschlaufen gestecktes Schwert trug und neben ihm ritt, desto leichter hätte Oishi ihn für einen namenlosen Ronin halten können.
Einen weiteren namenlosen Ronin
, berichtigte er sich, als er schmerzlich an die Wahrheit erinnert wurde.
Schließlich erblickten sie brennende Fackeln und eine kleine Gruppe Lagerfeuer, während sich die Dunkelheit über den Berg des Buddha senkte. Oishis unausgesprochene Unsicherheit, wie seine Kameraden darauf reagieren würden, dass er das Halbblut mitbrachte, verflog, als der Gedanke, wieder mit seinen alten Freunden vereint zu sein, ihn mit frischem Optimismus erfüllte.
Sie näherten sich dem Feuerschein, und er zählte die Silhouetten von zwanzig Männern. Sie standen vor der uralten Tempelruine, die dem Berg ihren Namen gab. Einige der Männer riefen und winkten, doch er merkte, dass sie ihn mit einer Mischung aus Vorfreude und Neugier beobachteten. Sie hatten erkannt, dass er nicht allein war.
Er stieg ab. Die Männer umringten ihn, riefen seinen Namen und empfingen ihn wie einen lange verlorenen Bruder. Umgeben von der Wärme ihres Willkommens lächelte er. Es schien das erste Mal seit einem Jahr zu sein, und wahrscheinlich war es das auch. Er begrüßte sie, scherzte mit einigen, umarmte andere, und sein Lächeln wurde noch breiter, als er Chikara entdeckte. Er lobte ihn für die gute Arbeit, die er in so kurzer Zeit geleistet hatte.
Erst als einer der Männer ihn fragte, wer der Fremde sei, wurde ihm klar, dass Kai nicht bei ihm geblieben war. Auf seine Antwort hin drehten sich alle Köpfe in Kais Richtung. Ihre Überraschung verwandelte sich in Ungläubigkeit und dann Verachtung, als sie begriffen, dass der Mann, den sie für einen weiteren Samurai
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