Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
wandte sich ab, als habe er sich eine Meinung über Kai gebildet, und ging hinüber zu den Satteltaschen des Pferdes, das ihm am nächsten stand. Er zog etwas heraus, das wie ein Bündel sauberer Kleidung aussah. Er drehte sich um und hielt es Kai hin. »Zieh das an.«
    Das war kein Angebot. Und auch keine Bitte. Es war ein Befehl – als habe sich nichts geändert, wenigstens nicht zwischen ihnen.
    Kai verschränkte die Arme vor der Brust. Er erwiderte Oishis Blick offen und machte ausnahmsweise keinen Hehl aus seiner Ablehnung oder seiner Weigerung, zu gehorchen. »Warum habt Ihr mich befreit?«, wollte er wissen. »Ihr habt mich gehasst, seit wir Kinder waren.«
    Oishi warf den Armvoll Kleider von sich. Er landete zu Kais Füßen. Für einen Augenblick flackerte in Oishis Augen etwas auf, als seine Gedanken zurück zur Erinnerung an ihr erstes Treffen wanderten – Widerwillen bei der Vorstellung, dass Kai ihn all die Jahre nur für
ein anderes Kind
gehalten hatte. Aber seine Miene zeigte Kai nur die gleiche ruhige Verachtung, die er immer gezeigt hatte. »Ich sagte es dir schon. Die Dame Asano wird an
Shunki koreisai
verheiratet.«
    Zum Frühlingsneumond
…? Kai erschrak. Er erinnerte sich nicht daran, dass Oishi so etwas gesagt hatte. Vielleicht war es das gewesen, was Oishi ihm zugerufen hatte, ungeachtet der Tatsache, dass ein Mann, der unter einem Wasserfall stand, buchstäblich taub war.
    »Was kümmert es Euch?«, sagte Kai bitter, als die volle Tragweite dessen, was er gerade gehört hatte, verstand. Sein Blick war jetzt wie die Schneide eines Schwerts, geschärft von den Erinnerungen an Verrat und vergeblichen Zorn. »Als Kira sie mitnahm, lagt Ihr vor ihm auf den Knien!«
    Oishi zuckte zurück, als habe man ihn geschlagen. Seine Augen funkelten vor Wut. »Wir wären alle getötet worden«, erklärte er rundheraus. »Du auch. Was nutzt du ihr tot?«
    Kai zog eine Grimasse. »Welchen Nutzen habe ich für Euch?«
    Oishi sah ihn einfach an. Er weigerte sich, die Frage einer Antwort zu würdigen – als erwarte er noch immer, dass Kai jeden seiner Befehle ohne Erklärung befolgte. Als wäre er überzeugt, dass – selbst in seiner gegenwärtigen Erscheinung – sein Samuraiblut noch so deutlich zu erkennen war wie das gemischte Blut des Halbbluts und strengsten Gehorsam verlangte. »Entweder folgst du mir oder du gehst wieder dahin zurück, wo du warst.« Er wandte sich wieder seinem Pferd zu, riss die Zügel aus dem Busch, an den er sie geknotet hatte, und stieg in den Sattel.
    Endlich bewegte Kai sich von der Stelle. Er packte Oishi am Arm, riss ihn aus dem Sattel und zu sich herum. »Wendet mir nicht den Rücken zu, Ronin!«
    Schon war Oishis Schwert aus der Scheide und bereit, Kai den Kopf abzuschlagen.
    Kai sah das Schwert an und dann wieder Oishi, ohne zu blinzeln. Sein Blick war kalt wie der Tod. Aber dann wechselte sein Ausdruck langsam in den eines eigensinnigen Menschen, der sich weigerte, ignoriert zu werden. »Weshalb sollte ich Euch folgen?«
    Oishi hielt den Blick für einen langen Augenblick, ohne etwas zu sagen – als würde er lieber an den Worten ersticken, als sich dem Mann zu erklären, für dessen Flucht er erst letzte Nacht sein Leben riskiert hatte.
    Kai fragte sich, ob Oishi ihn je als menschliches Wesen ansehen würde – selbst nach allem, was er getan hatte, um ihn zu retten … selbst nach allem, was Fürst Asanos ehemaliger
karō
selbst im letzten Jahr durchgemacht hatte. Glaubte er wirklich, dass das Halbblut, das er den Holländern gestohlen hatte, nun ihm gehöre, und er damit tun konnte, was er wollte …?
    Kai wartete ab, schwieg und gab nicht nach. Er wich nicht zurück und forderte nichts anderes als Oishis Anerkennung als seinesgleichen – oder den Tod. Nach allem, was ihm die Holländer angetan hatten, bedeutete ihm selbst der Tod nichts mehr, verglichen mit dem Recht, als Mensch behandelt zu werden.
    Schließlich war Oishi derjenige, der seinen Blick abwandte. In stiller Anerkennung der Wahrheit schob er sein Schwert in die Scheide zurück:
Im vergangenen Jahr hat sich alles geändert
.
    Kiras Verrat und die Erbarmungslosigkeit, mit der er sich genommen hatte, wonach ihm der Sinn stand, hatten ihre vorherige Beziehung bedeutungslos werden lassen. Er hatte ihnen beiden alles genommen, das ihnen lieb und teuer gewesen war, und sie an den Rand des Wahnsinns getrieben. Sie hatten sich selbst verloren. Ihre Seelen hatten sich von Grund auf verändert, bis nicht einmal sie

Weitere Kostenlose Bücher