47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
wie Monstern, vergessen worden.
Doch dann dämmerte ihm, dass er sich sehr wohl beteiligen konnte – er durfte nur nicht sein Schwert ziehen und gegen die
tengu
führen. Er rannte hinter den Verfolgern und ihren Opfern her und war entschlossen, seinen Männern zu helfen, auch wenn er nur seinen Körper und seine bloßen Hände als Waffen einsetzen konnte.
Er rannte in einen Haufen
tengu
– die sehr massiv sein konnten, wenn sie wollten – griff nach ihren Armen, stieß seinen Ellbogen in ihre Gesichter, trat um sich, stolperte umher und verteilte Kopfstöße in seinem verzweifelten Verlangen, ihre Reihen zu durchbrechen und seine eigenen Leute zu erreichen.
Er sah, wie Yasuno taumelte, weil ein Schwert eine tiefe Wunde in sein Bein geschlagen hatte. Sah, wie Bashō versuchte, seinen Freund mit seinem riesigen Körper abzuschirmen, und doch nur von einer Vielzahl weiterer
tengu
angegriffen wurde, deren Schwerter ihn auf der Stelle niederstreckten.
Oishi sah, wie die beiden fielen, und kämpfte weiter wie ein Dämon. Dabei hätte er das nie für möglich gehalten. Er duckte und wand sich an den
tengu
und ihren Schwertern vorbei. Sein Körper wandte jeden gemeinen Trick an, den er jemals gesehen oder beschrieben bekommen hatte. Das schloss auch Bewegungen ein, die Kai auf der Insel der Holländer gegen ihn angewendet hatte. All das tat er, ohne seinen Geist vorher um Erlaubnis zu fragen.
Je weiter er sich vorkämpfte und je näher er seinen Männern kam, desto brutaler kämpften die
tengu
gegen ihn. Er warf seinen Arm hoch und versuchte, seinen Kopf zu schützen. Ein heftiger Schwertschlag schnitt ihn auf. Er warf sich zur Seite und entkam nur knapp einer schlimmeren Verletzung, doch der Schmerz schoss durch seinen Körper, und Blut tränkte seine Kleidung. Plötzlich war sein ganzer Arm unbrauchbar. Weitere Klingen schnitten in sein Fleisch. Scharfe Schwerter verletzten ihn, töteten ihn aber nicht, als wollten die
tengu
ihn wegen seiner menschlichen Überheblichkeit vernichten, indem sie ihn in Scheiben schnitten.
Das war echt. Bei den Göttern, das war kein Traum, das war echt
...
Der
tengu
-Fürst lächelte Kai triumphierend an. »Du gibst es also zu. Weglaufen war sinnlos.«
Kai starrte seinen früheren Meister verständnislos an. »Wie bitte?«
»Das ›menschliche Leben‹, nach dem du dich so gesehnt hast, war ein Traum. Deine Existenz in ihrer Welt diente eigentlich keinem Zweck.«
»Nein ...« Und dann erkannte Kai die Wahrheit, die er gerade eingeräumt hatte: Das, was er für einen selbstlosen Schwur unsterblicher Liebe gehalten hatte, war nichts als das niederschmetternde Eingeständnis, dass er bei dem Versuch, sich einen Platz in der Welt der Menschen zu erobern, nur ein Leben voller Leiden erlangt hatte.
All die Dinge, von denen er gedacht hatte, sie würden einen Menschen ausmachen, waren Illusionen. Er hatte gelitten, weil er sie nicht loslassen konnte, und am Ende würde außer einem Tod, der so bedeutungslos war wie sein Leben, nichts von ihm bleiben – genau wie Sojobo es vorhergesagt hatte.
Kai stand lange vollkommen bewegungslos da, schaute auf seinen mit Narben übersäten, geschundenen Körper und machte eine Bestandsaufnahme. Er wollte sicher sein, dass er wirklich seiner eigenen Argumentation folgte und nicht der verzerrten Logik des
tengu
-Fürsten.
Dann wanderte sein Blick von den leeren Schlaufen seiner
hakama
zu dem glühenden
tengu
-Schwert, das vom Rand des Abgrunds noch immer nach ihm rief.
Wenn du einem Schwertkämpfer begegnest, zieh dein Schwert. Zitiere keine Gedichte, wenn du jemandem gegenüberstehst, der kein Dichter ist
.
Er schaute wieder hoch und sah den erwartungsvollen Blick seines früheren Fürsten. »Genug geredet«, sagte er. »Werdet Ihr meine Bitte erfüllen?« Er sah zu dem Schwert, das wie die Hoffnung in der Dunkelheit leuchtete, und wieder zurück.
Sojobo zuckte mit den Schultern. Jegliche Reaktion auf Kais plötzliche Weigerung, die Diskussion fortzusetzen, hielt er gut verborgen. »Nimm das Schwert, Kai ...«, sagte er. Doch etwas hatte sich tief in den schwarzen Pupillen verändert ... Kai erkannte es auch nach so langer Zeit sofort. Dann fügte der
tengu
hinzu:
»... wenn du es vor mir erreichen kannst.«
Oishi wich mit Mühe und Not zwei weiteren niedersausenden Dämonenschwertern aus und sah plötzlich Chikara. Sein Sohn war panisch auf dem Rückzug vor einem der
tengu
. Er hatte sein
katana
verloren. Das Schwert des
tengu
war mit einem
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