47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
Dame Asano und den Mut ihrer treuen Diener bejubelte.
Vor ihnen drängte sich erneut jemand durch die Menge, nicht ganz bis auf die Straße, aber doch so weit, dass er sie bemerkte:
Riku
.
Staunen und Freude zeichneten sich auf Oishis Gesicht ab, als er Tränen des Glücks und des Willkommens, Stolz und Sehnsucht in ihren Augen sah. Sie schaute ihn an und lächelte ihn mit zitternder Unterlippe an. Doch sie eilte nicht zu ihm, um ihn zu umarmen, und gestattete ihm und sich selbst wie ein wahrer Samurai, ihre Würde zu behalten. Dennoch war sie und würde sie immer seine liebende Ehefrau sein.
Ihr Blick und ihr Lächeln richteten sich als Nächstes auf die Dame Asano. Neben Oishi erwiderte Mika Rikus Lächeln, als hätte sie endlich den letzten Beweis dafür erhalten, dass sie wirklich zu Hause war.
Als sie an ihr vorbeigingen, schaute Riku suchend durch die ihnen folgende Truppe der Ronin, bis sie Chikara entdeckte.
»Chikara ...!«, rief sie. Er sah erstaunt hoch und grinste breit. Kai, der neben ihm war, schubste ihn zum Rand des Zuges. Samurai oder nicht – diesmal ließ seine Mutter alle Würde fahren und rannte hinaus auf die Straße, um ihn in die Arme zu schließen und festzuhalten. Sie warf Oishi einen Blick voller Dankbarkeit dafür zu, dass er ihren Sohn heil und unversehrt zurückgebracht hatte.
Chikara schaute nicht einmal verlegen zu seinem Vater oder den anderen Männern, als sie ihn in den Armen hielt. Er nahm ihre Hand in seine und nahm sie an seiner Seite mit, während die Ronin ihre Prozession hinauf zur Burg fortsetzten. Er sah noch immer wie ein ganzer Mann aus – ein stolzer und vollkommen zufriedener Mann.
Weitere Dorfleute traten vor und boten ihnen Nahrung, Wasser oder ihre Gebete an. Die Gebete wurden mit dankbarem Nicken angenommen, Nahrung und Wasser lächelnd abgelehnt. Die Gedanken der Männer und der Dame Mika waren jetzt auf den Weg vor ihnen gerichtet. Sie würden sich nicht mehr aufhalten lassen, bis sie das Ende ihrer Pilgerreise erreicht hatten.
Schließlich überquerten sie den Fluss, der die Grenze zu Burg Ako bildete, und waren nicht sicher, wie sie empfangen werden würden. Sie waren nur sicher, dass nicht einmal die Samurai des Shoguns sie jetzt noch aufhalten konnten. Die Dorfleute hatten ihnen erzählt, dass vor ihnen Truppen des
bakufu
eingetroffen waren und Kiras Offiziere abgelöst hatten. Doch die Männer des Shoguns waren nicht wieder fortgegangen. Die Tore der Burg waren geschlossen und Wachen postiert worden, und so war es bis zum heutigen Tag geblieben.
Doch der Friedhof lag außerhalb der Burgmauern unter Weiden und Kirschbäumen am Flussufer. Die Shintō-Traditionen ihrer Vorfahren – der Wille der Götter, die die japanischen Inseln zu Anbeginn der Zeit aus dem Meer erhoben hatten – verbot es, dass die Toten den Boden mit den Heimstätten der Lebenden teilten. Diese Götter teilten sich jetzt großzügig Himmel und Erde mit der göttlichen Essenz Buddhas, und buddhistische Priester hielten die Beerdigungen ab ... doch in den grundlegenden Bereichen des Lebens und des Todes hatten die uralten Regeln noch Bestand.
Die Gruppe der Ronin und die in respektvollem Abstand folgenden Dorfbewohner verließen die Straße zum Burgtor und überquerten stattdessen offenes Gelände außerhalb der Burgmauern. Sie ließen ihre Pferde langsam gehen und folgten der Reihe Kirschbäume am Fluss entlang zum Friedhof.
Die am Tor Wache haltenden Männer trugen die schwarze Rüstung des Shoguns mit seinem goldenen
mon
und beobachteten sie aus der Ferne. Weitere Tokugawa-Samurai sammelten sich auf den Mauerzinnen und sahen auf die Prozession hinunter. Keiner von ihnen machte Anstalten, die Burg zu verlassen, obwohl sie genau wissen mussten, wer die Gruppe abgekämpfter Ronin war und warum sie gekommen waren. Die Samurai waren bereit, die Ronin in Ruhe ihr heiliges Ritual an Fürst Asanos Grab durchführen zu lassen.
Kai schloss sich den anderen Männern an, die einen Halbkreis um Mika und Oishi bildeten, und alle verneigten sich gemeinsam. Zum ersten Mal sah er den Grabstein. Auf einem rechteckigen Fundament stand die Säule mit dem Namen seines Fürsten. Darunter lag die Urne mit Fürst Asanos Überresten in der Heimaterde von Ako.
Obwohl er sie nicht sehen konnte, wusste er, dass die ruhelose Seele, die einst seinem Fürsten gehört hatte, noch immer an diesen Ort gekettet war und nicht an einen friedvolleren Ort gehen, geschweige denn ein neues Leben beginnen konnte.
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