47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
siebenundvierzig
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Unwillkürlich starrte der Shogun ihn an.
Es spielte keine Rolle
… Egal wie das Halbblut es geschafft hatte, von diesen Männern als ihresgleichen angenommen zu werden, es machte jetzt keinen Unterschied mehr. Der Shogun starrte Kai noch immer direkt an und sagte: »Ich sehe nur Samurai vor mir.«
Das Halbblut schaute ungläubig hoch. In seinen Augen waren Erstaunen und dann Dankbarkeit zu sehen, als bedeute die einfache Anerkennung als Mensch ihm ebenso viel wie die Bestätigung, ein Samurai zu sein.
Die Dame Asano kniete nieder, aber nur, um sich neben das Halbblut zu knien und seine Hand in ihre zu nehmen. Sie schaute mit einem strahlenden Lächeln in seine Augen, obwohl ihre Lippen vor kaum kontrollierbaren Gefühlen bebten.
»Ich danke Euch, Shogun«, sagte Oishi demütig. Endlich verbeugte er sich.
Auch die Männer hinter ihm verbeugten sich: Vom Schicksal gebeutelte »Seemänner«, die sich endlich den Weg zurück von hoher See erkämpft hatten – oder Krieger, die gegen unglaubliche Widrigkeiten angekämpft hatten und endlich siegreich nach Hause zurückgekehrt waren. Sie erwiesen ihrem Fürsten aller Fürsten den ihm gebührenden Respekt mit der Würde der wahren Samurai, die sie immer gewesen waren und immer sein würden.
Feierlich verbeugte er sich im Gegenzug ebenfalls.
Nachdem alle sich innerhalb der Mauern von Burg Ako einquartiert hatten, ging Kai alleine zu Fürst Asanos Grab. Mika hatte gerade eine Audienz beim Shogun, um die Einzelheiten der Übergabe von Asanos Besitztümern zu besprechen. Er hatte sein Versprechen gegeben, dass Ako ihr gehören würde, wie alle Ronin es gehofft hatten.
Doch der Shogun hatte nicht die Absicht, Edo länger als nötig fernzubleiben. Kai hatte erkannt, dass dies die einzige Chance war, einige stille Augenblicke bei dem Mann zu verbringen, der ihm mehr Vater gewesen war als alle anderen – Mensch oder nicht –, die er je gekannt hatte.
Kai sah hinab auf Fürst Asanos Grabstein. Mika hatte bereits damit begonnen, die Zeichen der Vernachlässigung zu beseitigen, und Unkraut und totes Gras am Fuß der Säule ausgezupft. Jemand anders hatte bereits zwei Gebetstafeln dahinter in die Erde gesteckt.
Kai bewegte sich langsam und vorsichtig, kniete nieder und steckte das mitgebrachte Räucherstäbchen in die Halterung vor dem Grab. Er zündete es an, neigte seinen Kopf und dankte Buddha für die Gnade, die Fürst Asano ihm erwiesen hatte, und für alles, das deshalb in seinem Leben geschehen war. Er dankte auch den Göttern. Zum einen für ihre Erlaubnis an den Ereignissen zur Befreiung von Fürst Asanos Geist teilzuhaben, zum anderen auch dafür, dass sie der Dame Mika ihr rechtmäßiges Erbe wieder zukommen ließen.
Und dann leerte er seinen Kopf und erlaubte seinen Erinnerungen und Gefühlen sich in den Tiefen seiner Seele zu konzentrieren. Er versuchte, mit dem Teil von Fürst Asanos Geist Kontakt aufzunehmen, der in seinem geliebten Land zurückblieb. Er spürte, wie dessen Anwesenheit in seinem Inneren widerhallte … so wie sie es bei allen anderen tun würde, die von ihm tief berührt worden waren, sodass seine Essenz ein Teil von ihnen geworden war.
Hinter sich hörte er ein Geräusch und sah erschrocken auf. Er war wenig überrascht, als er Oishi herannahen sah. Scheinbar hatte Oishi dasselbe Bedürfnis wie er, einige letzte Momente allein mit seinem Fürsten und seinen Erinnerungen im Gebet zu verbringen – sein Leben, solange er noch dazu in der Lage war, noch einmal vorüberziehen zu lassen, bevor es Zeit wurde, die Reise ins Unbekannte anzutreten.
Kai wollte aufstehen und mühte sich, den Schmerz der plötzlichen Bewegung nicht zu zeigen.
Doch Oishi winkte ab und bedeutete ihm, sitzen zu bleiben. Er war der Eindringling, und wie schon zu seinen Lebzeiten war genug Platz für beide im Angesicht von Fürst Asanos Seele.
Kai ließ sich wieder nieder und beobachtete, wie Oishi eine kleine Flasche Sake und zwei Schälchen, die er mitgebracht hatte, hinstellte. Er wollte der Tradition folgend einen Abschiedstrunk mit seinem Fürsten nehmen. Er goss den Sake in die Schalen – einen für sich und einen für seinen Fürsten. Er trank aus einer Schale und ließ die andere bei den Gaben stehen. Dann neigte er seinen Kopf zum Gebet.
Schließlich schaute er wieder hoch und betrachtete den Grabstein. »Sag mir«, er wandte sich zu Kai um, »als mein Herr dich im Wald fand und du mir das Messer an die Kehle gehalten hast – hättest du
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