47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
sie ihren Ärmel zurechtzupfte, um das Wappen ihres Clans besser sichtbar zu machen. Das Zeichen symbolisierte eine stolze, generationenüberspannende Geschichte, die bis in die Tage zurückreichte, in denen ein Mann, der sich den Rang eines Samurai in der Schlacht erkämpft hatte, oder ein siegreicher Kommandeur mit einer Falkenfeder geehrt wurde.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder geduldig dem Sitzplan zu, den ihr die Berater zur Genehmigung vorgelegt hatten. »Wo habt Ihr den Kämmerer platziert?«, fragte sie, als wäre das momentan die entscheidende Frage.
»Zwischen seiner Hoheit und Fürst Asano, Herrin«, antwortete einer der Berater und zeigte auf den Plan. »Aber wir benötigen für diese Sitzordnung immer noch die Zustimmung Eures Vaters ...«
»Er ist genehmigt«, sagte sie bestimmt. Sie hob ihren Fächer, der ebenfalls mit dem Familienwappen verziert war, und schloss ihn mit einer abrupten Bewegung. Damit erinnerte sie die Herren daran, dass ihr Vater ihr die Vorbereitungen übertragen hatte. Ihr Vater hatte das nicht aus einer Laune heraus getan, sondern weil es ihr uraltes, gesetzliches Recht war, als Statthalter für seine Burg und Ländereien zu sprechen. Und die Berater wussten das genauso gut wie sie.
Der
daimyō
hatte seiner Tochter die gesamte Entscheidungsgewalt übertragen, als er die Burg verlassen hatte ... Um die Jagd gegen ein Monster anzuführen, das plötzlich aufgetaucht war und nicht nur Akos Volk terrorisiert und große Zerstörung auf ihren Feldern angerichtet hatte, sondern auch die Vorbereitungen auf den zeremoniellen Besuch des Shoguns zu stören drohte.
Je weniger die Berater darüber wussten, desto besser. Wenigstens, bis die Nachricht eines erfolgreichen Abschlusses verkündet werden konnte. Wenn die Berater die Einzelheiten vorher erfuhren, hatte Mika keinen Zweifel, dass sie sofort zurück in die Sicherheit der Hauptstadt Edo fliehen würden. Dort würde man die Besuchspläne des Herrschers sofort absagen.
Sie atmete tief ein und sagte: »Bis auf ein Detail: Fürst Sakai wird an der Seite meines Vaters sitzen, nicht Fürst Kira.«
»Fürst Kira ist einer der mächtigsten Herren des Landes«, protestierte einer der Berater.
Der einflussreichste politische Manipulator am Hofe des Shoguns
, fügte sie in Gedanken hinzu. Ihr Vater verabscheute Kira aus gutem Grund. Sie behielt ihre Überlegungen für sich und erwiderte nur: »Fürst Sakai ist ein Freund meines Vaters.« Sie lächelte, als würde das alles erklären.
Er war ein guter Freund ihres Vaters und sein Verbündeter, wenn es darum ging, Fürst Kiras brennenden Ehrgeiz zu dämpfen
. Kiras Absicht, das ererbte Lehen ihrer Familie in die Hände zu bekommen, war unter den
daimyō
kein Geheimnis. Die Herren mussten weit häufiger auf beträchtliche eigene Kosten nach Edo reisen, als dass der Shogun je seinen Palast verlassen hätte.
Wie ein Mann, der sich kaum als
daimyō
bezeichnen konnte und dessen winziges, unbedeutendes Lehen nicht viel zum Reichtum des Landes beitrug, außer vielleicht der Aussicht auf eisige Berge, eine derart hohe Position am Hofe von Edo hatte erreichen können, war Mika ein Rätsel. Allerdings nur, bis sie gelernt hatte, zu lauschen, während sie die Gastgeberin für die Besucher ihres Vaters spielte. Der Sake löste die Zungen der meisten Männer, und sie hielten Frauen – selbst Asanos Tochter – für weniger verständig als ein Möbelstück. Mika hatte erfahren, dass Kira eine besonders charmante Persönlichkeit mit besonderer politischer Gerissenheit und der Moral eines Attentäters in sich vereinte.
Fürst Kira besaß inzwischen weitaus mehr Macht und Einfluss, als er sollte. Sie wünschte nur, dass er nun genug hatte ... zumindest in den Augen des Shoguns. Aber inzwischen wusste sie, dass die Dinge selten so einfach waren.
Chikara erschien an ihrer Seite, und sie nahm endlich den Sitzplan an sich und rollte ihn zusammen. Der junge Samurai verbeugte sich sehr tief vor ihnen allen. Mika hatte ihm die Erlaubnis erteilt, sie aufzusuchen und jede Besprechung zu unterbrechen, wenn es Nachricht von ihrem Vater gab.
»Herrin«, sagte er. Sein Gesicht war gerötet und seine Worte überschlugen sich förmlich. »Euer Vater ist zurückgekehrt.«
Mika ließ ihrer Erleichterung freien Lauf und strahlte Chikara und die überraschten Würdenträger an. Sie entschuldigte sich formvollendet aus ihrer Gesellschaft. Sie war aus mehr als einem Grund heilfroh, ihnen erklären zu können, dass ihr
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