47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
und in Ako ihr Unwesen trieb, hatte sie es nicht glauben wollen. Aber als sie hörte, dass es Kai war, der diese Kreatur als
kirin
bezeichnet hatte, hatte ihr Unglaube sich in Sorge um alle Beteiligten gewandelt. Abgesehen von ihrem Vater hatte sie sich am meisten um Kai gesorgt. Ihr Vater war kein junger Mann mehr, aber wenigstens trug er eine Rüstung, hatte Waffen und saß umgeben von seinen besten Kriegern auf dem Rücken seines Pferdes. Als Gemeinem war es Kai nicht erlaubt, irgendeine Art von Schutz zu tragen.
Vor langen Jahren hatte ihr Vater darauf bestanden, dass Mika ihren Stand und sozialen Status über ihre Freundschaft mit Kai stellte. Er hatte sie so freundlich er konnte, aber mit unnachgiebiger Strenge gewarnt, dass es nicht nur einen Schatten auf ihre Zukunft werfen würde, wenn sie sich weiter mit dem
hinin
-Zwingerjungen abgab, man würde ihn wegschicken müssen.
Er hatte Kai das Gleiche gesagt, das wusste sie. Ihr Vater hatte es ihm bestimmt so freundlich er konnte beigebracht, war aber sicher von einigen seiner Bediensteten begleitet worden.
So wurde das hauchdünne Seidenband zerschnitten, das Kais und ihr Leben verbunden hatte. Wann immer sie es riskierte, ihm nahe genug zu kommen, um mit ihm zu sprechen, kniete er nieder und verbeugte sich so tief, dass sein Gesicht den Boden berührte. Er weigerte sich, aufzustehen oder gar zu sprechen, bis sie fort war, was ihren Kinderfrauen und allen, die sie sonst gerade begleiteten, eine enorme Befriedigung verschaffte.
Aber nichts von alledem konnte sie Kai vergessen lassen. Es hatte ihr nur noch schmerzhafter bewusst gemacht, dass er in ihrem Leben blieb, aber unerreichbar war. Wenn sie auf den Burghöfen einen Blick auf ihn erhaschte, konnte sie ihre Gedanken nur ihrem Tagebuch anvertrauen. Für gewöhnlich war er dann gerade dabei, mit einer Gruppe Träger schwere Lasten zu tragen oder mit einem Trupp Arbeiter die Burgmauern zu reparieren, und war mit Steinstaub oder leuchtend weißer Tünche beschmiert, die das Konstrukt aus Holz und Putz vor Feuer schützen sollte.
Sie hatte beobachtet, wie er zu einem starken jungen Mann herangewachsen war, der in ihren Augen nichts von der Schönheit verloren hatte, die sie als Kind in ihm gesehen hatte. Sie hatte Gedichte über einen verirrten
tennin
geschrieben, die niemand außer ihr verstand. Sie hatte
Die Geschichte vom Prinzen Genji
gelesen und sich geschworen, Nonne zu werden. Eines Nachts mitten im Winter hatte sie ihr gesamtes Bettzeug aus dem Fenster geworfen und bis zum Morgen zitternd auf dem nackten Futon gelegen, weil sie geträumt hatte, Kai wäre erfroren.
Ihr ahnungsloser Vater hatte in der Zwischenzeit Kai vor den Schikanen seiner Bediensteten geschützt. Für seinen pflichtbewussten Gehorsam, seine unermüdliche harte Arbeit und schließlich seine beeindruckenden Fähigkeiten im Aufspüren von Wild hatte er ihn schließlich sogar befördert.
Kai war jetzt schon seit fast zehn Jahren Asanos oberster Spurenleser, und es hatte noch nie einen Unfall oder gar Verletzte gegeben ...
Bis sie sich aufgemacht hatten, ein
kirin
zu jagen.
Kai hatte die Jahre damit verbracht, sich von einem ausgestoßenen Zwingerjungen zu einem Mann hochzuarbeiten, der eine sichere, verantwortungsvolle Position unter den Bediensteten der Burg einnahm. Während dieser Zeit hatte Mika ihre eigenen Kämpfe ausgefochten, um trotz aller ihr als Frau – selbst als Samuraifrau – auferlegten Beschränkungen unabhängig zu werden und zu bleiben. Sie hatte sich von Kinderfrauen befreit, die sich als Dienstboten ausgaben, und geduldig ihre eigene Gruppe loyaler Bediensteter um sich geschart. Es waren Dienerinnen, denen sie aufgrund ihrer Intelligenz und Diskretion vertraute.
Zum ersten Mal, seit ihre Mutter gestorben war, befand sie sich in der Gesellschaft anderer Frauen, auf die sie sich verlassen konnte und die ähnlich fühlten wie sie. Sie verstanden genau, was sie meinte, wenn sie fragte, ob sie den Halbmond oder den Vollmond schöner fanden. Und wenn sie antworteten, erwiderte sie, dass sie eine mondlose Nacht am schönsten fand, weil man die Sterne sehen konnte.
Also musste sie ihre Vertrauten nur ansehen, als sie sich erhoben und um sie versammelten, um zu wissen, dass ihre zweitgrößte Angst sich bewahrheitet hatte.
Niemand ist ums Leben gekommen
, hatte ihr Vater gesagt. Aber sie hatte Kai nirgendwo entdecken können ... nicht unter den Jägern und nicht unter den Verletzten.
Nun erfuhr sie aus einem Strom
Weitere Kostenlose Bücher