47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
die Blüten einer Pfingstrose, weil sie sich plötzlich dafür schämte, auch nur über sein Aussehen nachgedacht zu haben. Fürst Kira – der oberste Protokollberater des Shoguns – war auch der Mann, der seit Jahren ein geduldiger und heimtückischer Feind ihres Vaters war. Er war wie ein verborgenes Messer, das seit Jahren zu nahe bei der rechten Hand des Shoguns lag und dessen Spitze stets auf Ako gerichtet war.
»Ako ist so schön, wie ich es in Erinnerung habe, Fürst Asano«, sagte Kira. Sein Blick verweilte auf ihrem Gesicht, bevor er sich vor ihrem Vater verbeugte. Mika starrte mit kaum unverhohlenem Abscheu zurück. Wie konnte er es wagen, sie so anzusehen – wie ein verhungerter Hund – mit demselben Blick, den er auch auf Ako warf.
»Wir fühlen uns durch Euren Besuch geehrt, Fürst Kira«, erwiderte ihr Vater, als täte er das tatsächlich. Sie allein erkannte die Anspannung in seiner Stimme. War es seine übliche Vorsicht Fürst Kira gegenüber, oder hatte er bemerkt, dass dieser sie angestarrt hatte?
»Wir kommen Euch zu Ehren«, antwortete Kira gewandt, aber sie spürte eine Spitze in der makellosen Höflichkeit seiner Worte. Das Bild eines verborgenen Messers ließ ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen, als hätte man sie damit gestochen.
»Ich hoffe, alles ist zu Eurer Zufriedenheit.« Vater lächelte. Seine Selbstsicherheit war ein unausgesprochenes Kompliment an all ihre Arbeit bei den Vorbereitungen.
Die Messerspitze zeigte sich deutlicher in Kiras angedeutetem Lächeln, als er antwortete: »Nur ein paar geringfügige zeremonielle Aspekte, ansonsten ist alles perfekt.«
Ihr Vater war so überrascht, dass er Kira in die Falle ging. »Welche zeremoniellen Aspekte?«
Mika schnappte alarmiert nach Luft.
Was? Was sollte das sein? Wo hatte sie einen Fehler gemacht?
»Mein Land liegt zwar weit von Edo entfernt, aber die Loyalität meiner Vorfahren sichert mir einen Platz an der Seite des Shoguns. Irgendein Narr hat Fürst Sakai dichter an seine Hoheit gesetzt als mich.«
Ihr Vater drehte sich nicht zu ihr um, aber sie sah, wie sich die Muskeln in seinen Schultern anspannten, als würde er ihre Erniedrigung spüren. »Es war ein Versehen«, sagte er demütig. »Bitte vergebt mir.«
Er verbeugte sich, um sich zu entschuldigen, und die Schande lastete doppelt schwer auf Mika. Sie hatte die Sitzordnung aus einer boshaften Laune heraus geändert. Damit hatte sie ihren Vater in diese Lage gebracht. Er hatte ihr die Macht des
daimyō
anvertraut, und sie war damit umgegangen wie ein verwöhntes Kind.
Nach seinem Sieg winkte Fürst Kira mit seinem Fächer großmütig ab. »Vergebt mir, dass ich es erwähnt habe. Euer Empfang ist außergewöhnlich. Ich freue mich auf das Turnier.« Sein Lächeln wurde breiter, fast freundlich, und sie fragte sich, was er damit meinte.
Kai stand so weit vorne wie möglich in der Menge der Gemeinen. Die Müdigkeit nach einem langen Tag des Stehens wurde noch durch den Schmerz in seinem verletzten Rücken verstärkt. Er wusste aber, dass dies ein Anblick war, den er nur einmal im Leben zu sehen bekommen würde. Und einer, den er nicht erlebt hätte – selbst wenn er die Verwundung durch das
kirin
überlebt hätte –, wenn Mika nicht gekommen und ihm bei der Behandlung geholfen hätte.
Die Erinnerung an das, was sich sonst noch zwischen ihnen in jener Nacht ereignet hatte, erfüllte ihn mit einem anderen Schmerz, der die heutigen Erfahrungen in seinen Augen nur noch prachtvoller erscheinen ließ.
Er genoss das Wunder dieses vergänglichen Prunks ebenso wie die zerbrechliche Schönheit der Kirschblüten, die die Landschaft noch immer in die Farben des Frühlings tauchten. Oder wie die Glühwürmchen, die auf der Suche nach Liebe zurückkehren würden, sobald sich das Zwielicht über die Felder legte. Sie erinnerten ihn mit jedem Funkeln an die unumstößliche Realität ihres Lebens ... des Lebens aller.
Er drängte sich ein Stück weiter nach vorne, so wie er es schon den ganzen Tag getan hatte, indem er den Essensverkäufern folgte, oder einer Handvoll Soldaten, die nicht in der Ehrengarde waren. Sie bewegten sich hin und her, um besser sehen zu können, während sie über die Menge wachten.
Er entdeckte das tiefe Indigo und Silber des Oktopus-
mon
des Kira-Clans. Vor langer Zeit hatte er dem achtlosem Geschwätz entnommen, dass Fürst Kira unermüdlich daran arbeitete, Fürst Asano aus Bosheit und Gier beim Shogun in Verruf zu bringen. Kai fiel
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