47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
sah er sie wieder an. »Dies ist kein Ort für Euch, Herrin«, erklärte er, und die Worte waren so leer wie sein Blick.
Sie starrte ihn an, während sie vollkommen bewegungslos und vom Schmerz betäubt dasaß. Dann raffte sie langsam und bedeutungsvoll die schmutzigen Röcke ihres Kimonos – wie das Mondlicht, das sich der Dunkelheit ergibt – und stand auf. Sie ging mit stiller Würde durch seine ärmliche Hütte zum Ausgang. »Gute Nacht«, sagte sie, während sie die Tür öffnete. Als sie hindurchging, sah er die Laternen ihre Begleiterinnen draußen leuchten wie Glühwürmchen, bevor sie sie wieder schloss.
Kai starrte durch den leeren Raum auf die geschlossene Tür. In der Feuerstelle hinter ihm brach ein Ast entzwei und rutschte tiefer ins Feuer. Eine Stichflamme schoss empor, und Funken stoben in die Höhe wie sterbende Glühwürmchen, die auf der Suche nach Liebe verzweifelt ihr letztes Licht verströmten.
4
Fürst Asano und seine Ehrengarde, die von Oishi angeführt wurde, standen in einer ordentlichen Reihe im unteren Burghof und empfingen die schier unendliche Prozession der
daimyō
und ihrer Gefolge, die durch das Tor kamen. Alle Edelleute hatten die Einladung des Shoguns oder Fürst Asanos angenommen, um sowohl Freundschaft und Loyalität zu demonstrieren als auch die Gastfreundschaft Akos in der vollen Blüte seines glorreichen Frühlings zu feiern.
Soweit man von den Wachtürmen aus sehen konnte, kamen weitere Vasallen in einem endlosen Strom aus farbigen Bannern und Fahnen den gewundenen Pfad zur Burg hinauf. Der Shogun wurde erst kurz vor Sonnenuntergang erwartet. Bis dahin mochte der Besucherstrom nicht abreißen. Mika war froh, dass sie die vermutete Anzahl der Gäste, die Unterkunft und Verpflegung benötigten, geschätzt und noch einmal die Hälfte aufgeschlagen hatte. Sie hatte sicher gehen wollen, dass keiner der einflussreichen Fürsten oder irgendein anderer hungrig blieb oder die Nacht unter freiem Himmel verbringen musste, wo er von den Moskitos bei lebendigem Leibe aufgefressen werden würde.
Mika kniete mit ihren Dienerinnen auf Polstern, die auf einem Podest hinter ihrem Vater lagen. Die Plattform war gerade hoch genug, um über die Helme der Männer zu schauen, die ihre volle Schmuckrüstung trugen.
Sie war zum ersten Mal froh, dass sie den Tag auf Kissen kniend verbringen durfte, gekleidet in luftige Seide, während die Männer unten stundenlang in der prallen Sonne stehen und sich verbeugen mussten.
Die Asano-Farben Rot und Gold passten hervorragend zu den verschiedenen Tönen, die sie für Kimono und Robe für sich und ihre Hofdamen ausgesucht hatte. Ihr Vater war entschlossen, bei diesem bedeutungsvollen Ereignis keine Kosten zu scheuen. Und so hatte sie eine Aufgabe ganz besonders genossen: Die Farben und Muster für die Kimonos auszuwählen, hatte sie in glückliche Kindheitserinnerungen zurückversetzt, in denen sie die wunderschönen und kostbaren Roben ihrer Mutter anprobiert hatte.
Insgeheim war sie mit den Ergebnissen zufrieden. Jede von ihnen trug einen Kimono, der aufwendig in den brillanten Tönen einer anderen Blume verziert war. Sie hauchten dem unteren Burghof mit ihren Farben mehr Leben ein, der mit seinen pragmatischen Farben ansonsten eher unscheinbar wirkte. Die Hofdamen waren ebenso Teil des Gesamtbilds wie die Blumenpracht, die nun im oberen Hof blühte, und die Standarten der verschiedenen Einheiten von Samuraitruppen und Hakenbüchsensöldnern, die um sie versammelt waren. Ihre individuellen Flaggen, Banner und Fahnen in allen nur vorstellbaren, kunstvollen Formen verwandelten die eher langweiligen Gebäude nahe dem Torhaus in einen Anblick, der sowohl stolz und martialisch als auch farbenfroh und einladend wie ein Frühlingsfest wirkte.
Ihr Vater hatte sogar neue Rüstungen für sich und seine Samurai bestellt. Er sah prächtig aus. Selbst sein Helm war neu gefertigt und noch raffinierter verziert als der, den er sonst trug und der seinem Vater gehört hatte.
Sie erinnerte sich daran, wie sehr ihn die Vorbereitungen auf den heutigen Tag erschöpft hatten, und hoffte, er würde daran denken, dass es ihm als
daimyō
erlaubt war, auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Wenigstens zwischen der Ankunft der einzelnen Würdenträger, die er stets mit einer Verbeugung begrüßte. Sie sah zu ihm hinunter und fand, dass er vollkommen ausgeruht wirkte und außerdem stolzer, als sie ihn seit Langem gesehen hatte. Sie spürte, wie sie seinen Stolz nachempfand, weil
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