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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Landes.
    Oishi bemühte sich, seine Augen auf die Bestrafung durch seine Männer gerichtet zu halten, aber seine Aufmerksamkeit driftete ständig ab … zu Fürst Asano, der mit hängenden Schultern in den Staub starrte. Zur Dame Mika, die mit jedem Schlag, der Kai traf, zusammenzuckte, als gelte er ihr. Zu Fürst Kira, der sein Vergnügen kaum verbergen konnte …
    In Mikas Augen standen Tränen, und obwohl Oishi versuchte, seine Wut angesichts ihrer weiblichen Schwäche aufrechtzuerhalten, gelang es ihm nicht. Er musste daran denken, was seine Frau fühlen würde, wenn er das Opfer wäre.
    Und dann wurde er Zeuge einer noch größeren Schande, als eine Träne aus Mikas Auge kullerte. Sie lief ihr die Wange hinunter und hinterließ eine vom Sonnenlicht versilberte Spur. Mika stand wie angewurzelt da und kämpfte mit den Tränen, bis ihr starrer Blick ihn an die Augen einer Toten erinnerten. Er konnte sich nicht daran erinnern, sie je in der Öffentlichkeit weinen gesehen zu haben, seit ihre Mutter gestorben war. Aber damals war sie noch ein kleines Kind gewesen. Eine Samuraifrau sollte nicht weinen – wenigstens nicht über etwas so Schändliches. Doch er konnte sehen, dass sie innerlich förmlich in ihren eigenen Tränen ertrank.
    Der Burgvogt brachte seine Gefühle wieder unter Kontrolle und fragte sich, wie viele ihrer Tränen dem Schicksal ihres Vaters galten und wie viele Kai. Kai, der ganz allein das
kirin
erlegt und dabei sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte … der heute sein Leben und alles, was damit zusammenhing, aufs Spiel gesetzt hatte, um die Ehre seines Herrn und seiner Herrin zu verteidigen … und Ako.
    Kai, der heimlich seinen Sohn Chikara im Schwertkampf unterrichtet hatte und damit seinen Gehorsam und Respekt genauso gestohlen hatte wie das Herz von Fürst Asanos Tochter.
    Oishi blickte über die Arena hinweg zu der Stelle, von der aus Chikara dem Kampf zugesehen hatte. Der Stolz über sein geheimes Wissen hatte sogar den Stolz auf seine Stellung noch überstrahlt.
    Aber Chikara war verschwunden. Er konnte nicht ertragen, was nun passieren würde. Konnte aber, anders als alle anderen Beteiligten, den Ort des Geschehens verlassen. Oishi sah wieder zu seinen Männern, die ihre Wut und Frustration über den Gesichtsverlust an Kai ausließen. Sie würden ihn bald zu Tode geprügelt haben.
Sollte er ihnen befehlen, aufzuhören? Besaß er dazu überhaupt die Autorität?
    Er schaute zum Adjutanten des Shoguns hinüber, der ihnen mit kritischem Blick zusah. Der Mann schien mit Kais Bestrafung zufrieden zu sein, aber Kai bewegte sich noch – versuchte schwach, sich selbst zu schützen – und darum war er noch nicht so zufrieden, dass er dem ein Ende gemacht hätte.
    Oishi blickte nun wieder zu seinen Männern. Bashō hatte sich bisher im Hintergrund gehalten. Der große Mann hatte wohl Angst vor seiner eigenen Kraft. Nun trat er einen Schritt vor, als hätte er für sich selbst eine Entscheidung getroffen. Die anderen wichen zur Seite. Seine bloße Anwesenheit war genug, um sie zurückweichen zu lassen. Bashō erhob sein
bokken
und Oishi konnte erkennen, wie sich die Entschlossenheit in seinem Blick plötzlich in Mitgefühl wandelte. Sein Mund formte die Worte: »Es tut mir leid …«, als er auf Kai hinunterblickte.
    Dann ließ er sein
bokken
mit einem präzisen Schlag heruntersausen, der Kai endlich das Bewusstsein raubte. Bashō kniete sich hin und begann, die Rüstung vom leblosen Körper des Halbbluts zu entfernen, damit die Bestrafung enden konnte. Der Adjutant des Shoguns protestierte nicht, und Oishi gab seinen Männern ein Zeichen, ihm zu helfen.
    Ohne die Rüstung, bewusstlos und blutverschmiert sah Kai nur allzu menschlich und zerbrechlich aus, als man ihn vom Platz trug. Oishi sah weg, wieder zu Fürst Asano und der Dame Mika hinüber. Ihre Augen waren wieder voller Tränen, doch nun erkannte Oishi auch Scham und Schuldgefühle. Diese Gesinnung hatte er in ihr sehen müssen, um sie je wieder mit einer Art Verständnis ansehen zu können.
    Die Gäste um ihn herum verließen nun scharenweise die Arena. Das bedeutete, dass Fürst Asano und Mika-
hime
nun auch endlich gehen durften. Der Adjutant des Shoguns ging ebenfalls, um seinem Herrn über die Bestrafung von Fürst Asanos ungehorsamer Missgeburt zu berichten.
    Oishi blieb, wo er war. Er fühlte sich, als hätte er an Ort und Stelle Wurzeln geschlagen. Er hatte gerade mitansehen müssen, wie seine hochrangigsten, respektiertesten Samurai

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