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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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als verachtete er ihn für seine Dummheit. Als er wieder zurück zur Bank ging, bemerkte Mika zum ersten Mal, dass er sich wie ein alter Mann bewegte.
    »Vater …«, sagte sie zögernd und machte einen Schritt auf ihn zu.
    Er sah auf und erblickte sie. Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich zu einer undurchdringlichen Mauer.
    Sie hielt inne, als hätte die kaum kontrollierte Wut und Trauer in seinem Blick sie tatsächlich wie ein physischer Schlag getroffen.
    Er drehte ihr den Rücken zu und ging mit seinen gewohnt schnellen Schritten durch den Garten auf seine Gemächer zu.
    »Mein Fürst …«, rief sie ihm nach. Sie stolperte ihm hinterher, obwohl sich ihr ganzer Körper plötzlich taub anfühlte, als hätte sein Blick sie gelähmt.
    »Nicht jetzt!«, sagte er und wurde weder langsamer, noch blickte er zu ihr zurück.
    »Vater, bitte …«, flehte sie und streckte die Hand nach ihm aus, als er an seiner Tür anhielt, um sie zu öffnen.
    Er ging hinein und schloss die holzverstärkte Schiebetür hinter sich, ohne sich umzusehen.
    Mika stand zitternd vor seiner Tür und konnte sich nicht dazu überwinden, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Plötzlich zuckte ein gleißend heller Blitz über den Himmel und Donner krachte, dann begann es zu regnen.
    Der strömende Regen durchweichte sie bis auf die Haut, aber sie konnte sich immer noch nicht zwingen, sich umzudrehen und zu gehen. Sie rief noch einmal, hoffte, dass ihr Vater seine Meinung ändern und ihr die Tür öffnen würde. Ihre Stimme klang so klagend und weit entfernt wie die Seevögel und verlor sich im Rauschen und Tosen des Sturms.
    Wie lange sie dort gestanden hatte, wusste sie nicht. Die Zeit hatte keine Bedeutung mehr. Nichts war von Bedeutung.
Man hatte sich um Kai gekümmert
. Ihr Herz bebte vor Freude, doch allein der Gedanke, dass ihr das so viel bedeutete, erfüllte sie mit Scham.
    Endlich wandte sie sich ab und ergab sich dem Unvermeidlichen. Langsam ging sie durch den kalten Regen über den Burghof zurück. Sie mied die inneren Flure, die ihr Schutz geboten hätten, bis sie keine andere Wahl mehr hatte.
    Mika betrat den Flügel des ausgedehnten Palastes, in dem sich ihre Gemächer befanden, und nur ihr eiserner Wille hielt sie aufrecht. Sie dachte, dass sie alle Tränen, die ihr für heute zustanden, bereits geweint hatte … Aber ihr wurde klar, dass die menschliche Fähigkeit zu weinen so unendlich wie die Sterne am Nachthimmel war.
    Als sie den Korridor entlangging, sah sie Bashō, der bei Oishi stand. Die zwei waren in ein Gespräch vertieft, und ihren ernsten Mienen nach zu urteilen, konnte es um alles von den heutigen, desaströsen Ereignissen bis zu einem Futtermangel für die Pferde gehen.
    Sie glaubte, gehört zu haben, wie Oishi den Namen seines Sohnes erwähnte, als sie sich auf die Männer zubewegte. Sie hatte die Augen abgewandt und hoffte, dass sie nicht zu ihr herüberschauen würden. Aber sie war noch immer Mika-
hime
. Die beiden Männer unterbrachen ihr Gespräch und verbeugten sich mit dem gebührenden Respekt vor ihr.
    Sie nickte nur und wollte vorbeigehen. Aber sie sah eine Spur von Bedauern in Bashōs Blick, als hätte er nicht erwartet, sie so schnell wiederzusehen. Noch dazu tropfnass vom Regen.
    Sie blieb stehen und sah sich um. »Sir Bashō«, sagte sie und Oishi sah sie überrascht an. »Glaubt Ihr, dass die Götter oder der gnädige Buddha wirklich zuhören und alle unsere Gebete erhören?«
    Nun war es Bashō, der sie überrascht ansah. »Das tue ich, meine Herrin …«, erwiderte er und blickte nach unten. »Aber manchmal ist die Antwort ›Nein‹.«
    Er verbeugte sich wieder, und sie ging schnell weiter, damit keiner der Männer den Ausdruck auf ihrem Gesicht sehen konnte.

    Der Himmel war schwarz, als Kai endlich das Bewusstsein wiedererlangte. Sein erster Gedanke war, dass er gar nicht erwartet hatte, wieder aufzuwachen. Aber wenn er seinen Kopf bewegte, oder auch nur versuchte, die Hand ans Gesicht zu heben, war der Schmerz so intensiv, so stark, dass die Arme der Vergessenheit ihn fast wieder in die Dunkelheit zogen. Er entschied, dass er überlebt hatte. Schon wieder.
Aber warum?
    Er gab ein Geräusch von sich, das nicht einmal entfernt ein Wort war und zu erbärmlich, als dass man es als Stöhnen hätte bezeichnen können.
    »Endlich wach?«, fragte eine Stimme. Sie kam ihm bekannt vor.
    Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, wer da sprach, und konnte kaum Oishis Gesicht erkennen, das vor einem

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