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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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gezwungen worden waren, so tief zu sinken, eine Tat zu begehen, zu der sich nur gewöhnliche Straßenräuber herablassen würden. Sie hatten einen hilflosen Mann beinahe zu Tode prügeln. Oishi sah, dass die Samurai ihre
bokken
in den blutverschmierten Sand fallen ließen und auf ihn zukamen, um weitere Befehle zu erhalten. Die restlichen anwesenden Samurai beobachteten sie wortlos und erwartungsvoll von ihren Posten.
    Er schickte Bashō und Okuda, um Fürst Asano und die Dame Mika zu ihren Gemächern zu eskortieren und warnte sie mit leiser Stimme, sich mit der größtmöglichen, noch sicheren Distanz zu ihren Schützlingen zu bewegen und kein Wort zu sagen. Hazama schickte er los, um herauszufinden, wo Yasuno war und was mit ihm passiert war. Den Rest entließ er in ihre regulären Pflichten oder eine wohlverdiente Ruhepause.
    Und dann ging er endlich los, um seinen Sohn zu suchen.

    Als der Abend dämmerte, war der klare, blaue Himmel, der einen ebenso strahlenden Tag für Ako versprochen hatte, grau und düster geworden. Ein Sturm zog auf. Der Himmel hatte die Farbe eines grausam zusammengeschlagenen Menschen … Die angeschwollenen Wolken waren indigo- und purpurfarben, durchzogen von blutroten Striemen, die das Licht der untergehenden Sonne hinterließ.
    Das leuchtende Rot der Banner von Ako und das Gold, das ebenso Akos Farbe wie die des Shoguns war, lagen fast vollkommen im Dunkel, als Mika ihre Gemächer wieder verließ. Als sie vom Turnier zurückgekehrt war, hatte sie alle anderen weggeschickt, um endlich vor Trauer und Scham weinen können, bis sie glaubte, keine Tränen mehr übrig zu haben. Nur um danach noch mehr Tränen der Reue und Sorge zu vergießen …
    Schließlich war sie eingeschlafen – und als sie wieder erwachte, schickte sie ihre besorgten Dienerinnen aus, um alle möglichen Arzneien für ihre Augen und ihr Gesicht zu finden, die vom Weinen ganz rot und geschwollen waren. Sie würde ihre Trauer nicht bestreiten, aber auch ihren Stolz nicht über Bord werfen, und wenn es nur um Akos willen geschah – egal wie sehr sie die Ehre ihres Landes heute befleckt hatte. Aber sie musste hinausgehen, um mit ihrem Vater zu reden … Ob er nun mit ihr sprechen wollte oder nicht.
    Als sie ihn nicht in seinen Gemächern vorfand, suchte sie ihn überall und fragte jeden, wo er hingegangen sein konnte. Wo sie auch hinkam, hatte ihn niemand gesehen, oder hatte ihn vor einiger Zeit getroffen, wusste aber nicht, wo er sich gerade aufhielt … Bis sie begann zu fürchten, dass man ihnen befohlen hatte, ihr nichts zu sagen, oder dass er vielleicht …
vielleicht sogar

    In ihrer Verzweiflung setzte sie sich auf eine Bank unter den Kirschbäumen im Burghof und rang ihre Hände noch fester, als sie die Finger während des Turniers unter Fürst Kiras unwillkommener Beobachtung ineinander verkrallt hatte. Ihre Finger waren schon ganz blau, weil ihre Ringe sich in ihr Fleisch gruben, aber der Schmerz war ihr willkommen. Wenigstens lenkte er sie von ihren Gedanken ab.
    Im schwindenden Zwielicht sah sie einen der Samurai ihres Vaters auf sie zukommen. Sie erkannte ihn an seinem Profil, das keinem zweiten glich.
    Bashō näherte sich ihr zögernd und verbeugte sich mit großer Ehrerbietung. »Herrin,
Kuranosuke
Oishi sagte, dass Ihr Euren Vater sucht. Ich habe ihn in seinem Garten sitzen sehen, an seinem Koi-Teich.«
    Er sah ihr nicht in die Augen. Sie fragte sich, ob sie darin die gleichen Dinge sehen würde wie in den Augen der anderen Offiziere ihres Vaters, sogar in den Augen der Diener. Ob nun Mitleid oder Tadel in ihren Blicken lag, oder beides, sie konnte es nicht ertragen, dass noch jemand sie so ansah … besonders nicht bei diesem Mann. Es war schwer genug, sich auch nur vorzustellen, wie sie den Blick ihres Vaters ertragen sollte.
    »Danke, Sir Bashō«, murmelte sie mit kaum hörbarer Stimme. Sie hielt die Augen gesenkt, als sie aufstand und seine Verbeugung erwiderte. Blütenblätter fielen von ihren seidenen Kleidern und regneten leise um sie herab.
    »Meine Herrin …«, sagte er, als sie sich umdrehte. »Das Halbblut ist versorgt, der Arzt war bei ihm. Er sollte den heutigen Tag überleben …«
    Sie drehte sich wieder zu ihm um. Bashōs Mondgesicht zeigte nicht sein gewohntes Lächeln, aber in seinen Augen spiegelte sich eine tiefe Güte, die in starkem Kontrast zu seinem riesigen, kräftigen Körper oder seinen Fähigkeiten mit dem

-Stab oder dem
naginata
stand. »Warum erzählt Ihr mir das?«,

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