47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
oder unsere Liebe zu ihm mindern.«
»Ich danke Euch, Oishi-
sama
.« Ihr Gesicht verzog sich zu einem enormen Grinsen, weil er diesen skandalösen Schimpfnamen benutzt hatte. Der »Hunde-Shogun« war ein Spitzname, den man sich zuflüsterte, weil er eine nicht vollkommen selbstlose Besessenheit mit dem Wohlergehen von Hunden an den Tag legte. Mika hatte gehört, dass ein Priester ihm prophezeit hatte, er würde einen männlichen Erben zeugen, wenn er gute Taten vollbrachte. Er hatte dann beschlossen, sich der Hunde anzunehmen, weil er im Jahr des Hundes geboren worden war. Es hieß, der Gestank des Zwingers, den er in Edo hatte errichten lassen, wäre unerträglich ...
Oishi begleitete sie zu seinem Haus, wo Riku vor ihr auf die Knie fiel. Als Mika die Arme ausstreckte, um sie wieder auf die Füße zu ziehen, umarmte die Frau des
karō
die jüngere wie eine Mutter und sprach ihr leise Worte des Trostes und des Beileids zu. Mika war eher gerührt als überrascht über die spontane, von Herzen kommende Geste der Frau und sah, wie Oishis Gesicht sich entspannte. Sie spürte seine Erleichterung, weil die Tochter seines Herrn froh war, seine warmherzige Ehefrau kennenzulernen.
Die traditionelle Beerdigung zog sich über die nächsten zwei Tage. Es gab eine formelle Zeremonie am Familienschrein und dann die Bestattung der Urne ihres Vaters auf dem Friedhof der Burg, auf dem seine Vorfahren und die vieler anderer der umstehenden Bewohner seit Generationen zur letzten Ruhe gebettet wurden.
Statt sich noch einsamer zu fühlen als je zuvor, fand Mika Trost in der Anwesenheit ihrer gesamten ausgedehnten Familie, von der sie nie gewusst hatte, dass sie sie besaß. Die neuen Mitglieder wurden mit jeder Stunde realer. Da waren einerseits die wortkargen Samurai und andererseits die schüchternen, einfachen Untertanen, die sich ihr näherten, um ihr Beileidsbekundungen auszusprechen oder von einer persönlichen Erinnerung zu berichten.
Der Tod war ein großer Gleichmacher. Sie erkannte die Endlichkeit des Lebens und die unsichere Zukunft aller Anwesenden ebenso wie den Bund der Loyalität, den ihre Vorfahren einst geschlossen hatten und den ihre Familien bis heute aufrechterhielten, und merkte, wie ehrlich alle ihre Trauer und die Wut über die Ungerechtigkeit des Todes ihres Herrn teilten.
Es gab nur eine Person, die sich nicht blicken ließ. Es war die Person, von der sie mehr als alles andere hoffte, dass sie kommen und für ihren Vater beten würde ... Die eine Person, die ihm wahrhaft die gleichen Gefühle entgegengebracht hatte wie sie. Und ihm über viele Jahre weitaus selbstloser gehorcht hatte als sie selbst.
Kai
. Kai war nicht gekommen, nicht einmal, um sich zu verabschieden ...
Als der Sonnenuntergang näher rückte, führte Mika eine Prozession über die Felder und den gewundenen Pfad zum Bergkamm hinauf. Dort hatte man noch immer den schönsten Ausblick über ganz Ako bis zum Meer, den sie je gesehen hatte. Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass er hier oft an lauen Frühlingsabenden mit ihrer Mutter gesessen hatte ... Hier hatte sie mit Kai die gleiche Aussicht genossen. Das alles kam ihr nun so weit weg vor, als wäre es in einem anderen Leben gewesen.
Immer mehr Menschen schlossen sich ihr auf ihrem Weg an. Es kamen Bauern aus dem Tal und Menschen aus dem Dorf unterhalb der Burg, einige waren sogar aus der Hafenstadt gekommen, um ihrem Fürst die letzte Ehre erweisen. Sie sprachen Gebete, die die Seele ihres Vaters so schnell nach aufsteigen lassen sollten wie der Rauch der Räucherstäbchen, die sie verbrannte, während die letzten Überreste ihres Vaters an dieser Stelle begraben wurden. Sie ruhten in einer einfachen Holzkiste und sollten den Boden an diesen Ort anreichern, den sie beide so sehr geliebt hatten. Der wahre Ruheplatz der Seele ihres Vaters wurde nur von einem einzigen großen Stein gekennzeichnet. Darauf war ein Haiku eingraviert, das sie verfasst hatte:
Trister Regen fällt
.
Unter dem Gipfel
rote Blüten und weiße
.
Mika blinzelte unaufhörlich, als sie sich vom Grabstein abwandte. Sie schaute ein letztes Mal in die Gesichter der Anwesenden. Sie hatte die leise Hoffnung gehabt, dass sie Kai unter ihnen finden würde. Sie hatte geglaubt, er würde wenigstens an diesen Ort kommen, um ihres Vaters willen, auch wenn er nicht riskieren wollte, in die Burg zu kommen, nur um von den Menschen, die ihn so grausam behandelt hatten, weggejagt zu werden.
Aber er war nicht gekommen.
Nach allem,
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