47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
eigenen Taten zu schützen. Und dabei hatte sie nur versucht, Kais unwürdiges Leben zu retten.
Als Fürst Asano ihn ein Tier genannt hatte, war er noch zu freundlich gewesen. Sein Körper war vielleicht menschlich ... Aber er war mit der Seele eines Dämons verflucht.
Endlich gestattete er sich, den Kopf zu wenden und Mika anzusehen. Seine Gedanken flossen vor unerwarteter Zuneigung fast über, als er ihr Profil betrachtete. Ihr stolzer Geist und ihre Schönheit waren durch den Verlust zu zerbrechlichem Porzellan geworden. Er bemerkte die Blässe ihrer Haut, die verräterische Röte um ihre Augen herum und die Schatten darunter, die aussahen, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen.
Er wollte sie in die Arme nehmen und an sein Herz drücken, um sie zu trösten und zu beschützen ... ihr die Art von Schutz vor der Grausamkeit des Lebens bieten, die sie und ihr Vater ihm geboten hatten.
Aber er sah sie nur schweigend an und betete, dass ihr Herz eines Tages heil würde.
Dass sie ihm irgendwann vielleicht sogar vergeben können würde.
»Es war meine Schuld«, murmelte Mika und starrte auf das Porträt ihres Vaters und die Opfergaben, die davor standen: die Schüsseln mit Reis und Früchten, eine Schale mit Sake, ein Blumenstrauß aus seinem Garten.
»Nein«, flüsterte Kai wie betäubt.
»Ich konnte nur noch an dich denken.« Sie sah immer noch nicht zu ihm auf und starrte einfach weiter auf die Dinge, die sich vor ihr befanden. Er sah, dass in ihren Augen neue Tränen schwammen. »Ich hatte nie den Mut, ihm zu sagen ...«
Schließlich sah sie ihm in die Augen. Insgeheim hatte er immer gefürchtet, dass er eines Tages erkennen müsste, dass er aus ihrem Herzen verschwunden war. Aber er fand die gleiche Liebe in ihnen, die schon immer auf ihn gewartet hatte ... Auch wenn sie nun von den Klingen ihrer Schuldgefühle zerfetzt war. »Du hattest recht«, sagte sie, und ihre Stimme klang tonlos in ihrer Hoffnungslosigkeit. »Du hattest deinen Platz und ich hatte meinen. Es war falsch, zu träumen.«
Kai streckte die Hand aus, um ihre zu berühren – aber sie stand auf und wandte ihm den Rücken zu. Sie ging so schnell sie konnte auf die Tür zu, bevor er irgendetwas tun konnte, um sie aufzuhalten.
Er blieb wo er war, als die Tür mit einem Knall hinter ihr zuschlug. Er senkte den Kopf und presste seine Hände zusammen in einem verzweifelten Versuch, zu beten. Doch kein Gebet hatte noch irgendeine Bedeutung.
9
Die
tobari
waren bereits abgebaut gewesen, als der Shogun Ako verließ, aber noch nicht eingelagert. Auf Oishis Befehl hatte man eine kleine Anzahl beiseitegelegt.
Nun hatte man sie erneut auf dem oberen Burghof aufgebaut – als
jinmaku
, die Wände eines Feldhauptquartiers.
Die Umrisse der Wachen, die mit Speeren oder
naginata
bewaffnet waren, warfen beruhigende Schatten über die sanft flatternden Wände. Oishi hörte sich schweigend die letzten Argumente seiner dickköpfigsten Offiziere über die Zukunft Akos und ihre eigene an.
Der Shogun hatte gesagt, er würde in einem Monat zurückkehren. Oishi hatte noch nie einen Monat erlebt, der so schnell verging und doch so qualvoll lange dauerte.
Vor drei Tagen hatte er von einem Boten die Nachricht erhalten, dass der Shogun heute ankommen würde – und er war nicht allein.
Der
karō
hatte alle Vorbereitungen getroffen, die der Adjutant des Shoguns befohlen hatte, sie vor der Rückkehr des Shoguns zu erledigen ... Vorbereitungen, für die man Fürst Asano keine Zeit mehr gelassen hatte. Oishi hatte nicht einmal fragen müssen, was der Adjutant des Shoguns damit bezweckte.
Nach Ansicht des Herrschers waren die Burg Ako und ihre Ländereien bereits konfisziert.
Aber wie der Shogun hatte Oishi mithilfe der Dame Mika einige zusätzliche Vorbereitungen getroffen.
Ihr Herr war tot, und zwar auf Befehl des Shoguns. Das machte den Grund für seine übereilte Abreise ebenso klar wie den Termin für seine Rückkehr. Der Herrscher hatte Zeit benötigt, um Truppen von den benachbarten
daimyō
zusammenzuziehen – loyalen Unterstützern des
bakufu
. Außerdem wollte er wohl sicherstellen, dass es genug Vorräte gab, sollte es zu einer Belagerung kommen. Er wollte, dass der Ausgang der Angelegenheit völlig klar war, wenn er auf Burg Ako zurückkehrte. Die Samurai von Ako würden ihm die Ländereien ihres Herrn sofort und ohne Blutvergießen übergeben ... oder alle sterben.
In der chaotischen Ära vor dem Tokugawa-Frieden stieg und fiel die Kontrolle über
Weitere Kostenlose Bücher