47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
über dem gesamten Ort. Auf den Reisfeldern dahinter waren noch die abgeernteten Stoppeln der herbstlichen Ernte zu sehen, aber er konnte auch Stellen ausmachen, an denen die schmalen Deichwege, die die Felder voneinander trennten, erodiert und uneben waren, als ob die Bauern sich nicht um ihre Ernte kümmerten, so wie sie sich auch um ihre Leben nicht mehr zu scheren schienen.
Ako hatte sich beinahe so sehr verändert wie er selbst – seine Leute waren abgestumpft und halb verhungert, das gesamte Land lag unter einem Fluch, der sie alle angesteckt hatte.
Wie hatten die Dinge nur so schnell so schlimm werden können ...?
Fürst Asano war klug genug gewesen, um zu erkennen, dass Menschen mit genug Nahrung, anständiger Kleidung und ordentlichen Heimen gern in die Zukunft blickten. Es waren starke, gesunde Menschen, die bereit waren, freiwillig und hart auch für die Bedürfnisse ihres Fürsten zu arbeiten. Sie hatten ihre Pflichten ihm gegenüber ernst genommen, weil er nie zu viel von ihnen gefordert hatte. Das Land hatte auf ihre Bemühungen auf seine Weise erwidert, indem alles gedieh.
Es war offensichtlich, dass Fürst Kira diese Ansicht nicht teilte, was allerdings kaum eine Überraschung war.
Oishi hatte gehofft, dass Ako mit den Augen eines freien Mannes wiederzusehen, ihm helfen würde, Ordnung in seine bruchstückhaften Gedanken zu bringen. Aber die Wirklichkeit, mit der er sich hier konfrontiert sah – dieses Land des sichtbaren Verfalls und des schwachen Geistes, das unter einem bleiernen Himmel lag – entsprach seiner Vorstellung davon, was aus der Welt geworden war, nur zu genau.
Während er ziellos durch die Straßen irrte, holten Riku und Chikara langsam auf und nahmen schließlich jeder eine seiner Hände in ihre. »Wir bringen dich nach Hause, Vater, sodass du ruhen und essen kannst«, sagte Chikara. In seinen Augen lag die flehende Bitte, Oishi möge ihm wenigstens einen Schatten des Mannes zeigen, der er einst gewesen war.
Oishi erkannte, dass er keine Ahnung hatte, wo sie nun lebten, und ließ zu, dass sie ihn durch engere Straßen und Gassen, die nach öffentlichen Bedürfnisanstalten stanken, in den ärmsten Teil des Dorfs führten.
Er fragte sich, wo sie wohl hingingen und warum sie ihn hierherführten, bis sie ihn schließlich in eine Gasse brachten und an einer maroden Holztür anhielten, die wie jede andere Tür aussah, die er in der Reihe der Häuser hier sehen konnte. Auch auf der gegenüberliegenden Seite erwarteten ihn Häuser, die nahezu identisch aussahen und an einer engen, schlammigen Straße lagen.
Chikara schob die Tür auf und führte ihn hinein.
Ihr neues Heim
. Sie mussten ihm nicht sagen, dass dies der Ort war, an dem sie gelebt hatten, während er im Kerker saß. Sie zogen die Sandalen am Rand der hölzernen Plattform aus, auf der in einem einzigen Raum gelebt und geschlafen wurde. Ein kleines Kohlenbecken, das sowohl als Kochstelle als auch als Heizung diente, stand in der Mitte, ein eiserner Haken, an dem man einen Kochtopf aufhängen konnte, hing von einem Bambusgestell darüber.
Der gesamte Wohnraum war kleiner, als es sein Arbeitszimmer in seinen Gemächern innerhalb der Burg gewesen war. Aber es gab auch kaum mehr Besitztümer, die Platz eingenommen hätten. Ein kleiner Stapel ordentlich zusammengelegter Futons und Decken nahm eine Ecke ein, ein paar Kleidungsstücke lagen säuberlich in einem Korb verstaut in einer anderen.
Ihm kam der Gedanke, dass seine Frau und sein Sohn eigentlich gar nicht mehr in Ako sein sollten. Vielleicht hatte Kira das Versprechen, ihn freizulassen, dazu benutzt, sie hier festzuhalten – um sie davon abzuhalten, nach Edo zu reisen und beim Shogun zu protestieren. Auch wenn Oishi bezweifelte, dass es den Shogun überhaupt gekümmert hätte, selbst wenn man ihnen eine Audienz gewährt hätte.
Oishi sagte nichts, als er beinahe dankbar auf die Plattform sank. Seine Beine wollten ihn nicht mehr tragen. Sein Körper wollte nicht aufhören, vor Kälte und Schock und trotz seiner Lumpen zu zittern. Vielleicht war auch das ein Teil von Kiras Plan – ihn sehen zu lassen, dass auch seine Familie unter seiner Schande litt, und den Rest ihres Lebens leiden würde.
Chikara wickelte ihn in eine fadenscheinige Decke, Riku stellte eine kleine Schale Reis neben ihn sowie einen Becher heißen Tee, der so wenig Aroma hatte, dass er auch heißes Wasser hätte trinken können. Oishi würgte den Tee hinunter, als wäre er ein Trinker, der Sake
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