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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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hinunterschüttete, um sich von innen zu wärmen. Er schnappte sich die Reisschale wie ein Mann, der seit Monaten nicht mehr anständig gegessen hatte – was der Fall war. Er stopfte sich den einfachen Reis in den Mund, verschlang ihn wie ein verhungernder Bettler und spülte ihn mit weiteren Schlucken heißem Tee hinunter. Riku und Chikara beobachteten ihn mit angespanntem und verlegenem Schweigen, als hätten sie einen Fremden vor sich.
    Dessen ungeachtet beendete Oishi seine Mahlzeit und pickte sich die letzten Körner mit schmutzstarrenden Fingern vom Boden der Schüssel, die er auch noch ableckte, bevor er die Schüssel mit einem Seufzen abstellte.
    Er spähte aus der Türöffnung hinaus, die er trotz Kälte und Feuchtigkeit hatte offen stehen lassen. Er stand auf, ging mit steifen Bewegungen zur Tür hinüber und sah die Straße auf und ab. Als er sicher war, dass keiner von Kiras Spionen irgendwo in ihrer Nähe herumlungerte, schob er die Tür zu.
    Schon mit etwas festerem Schritt, der mehr seinem früheren, entschiedeneren Gang glich, ging er zu dem kleinen Schrein hinüber, den Riku aufgebaut hatte. Er kniete vorsichtig vor dem winzigen Altar nieder, auf dem die Räucherstäbchen noch glühten, die sie zuvor für seine sichere Rückkehr entzündet hatte. Er verbeugte sich tief vor dem Bildnis des gnädigen Buddha und vor allen Göttern, die seine Gebete erhört und seine Familie beschützt hatten, und auch seinen eigenen schwankenden Glauben in den Tiefen des
jigoku
bewahrt hatten.
    Und jetzt betete er, dass sie ihn wieder erhörten und ihm halfen, den Schwur einzuhalten, den er während seiner Zeit in der Hölle abgelegt hatte, nämlich die Missstände, die verursacht worden waren, zu korrigieren, wie es von ihm als Samurai verlangt wurde: Er würde Rache an Fürst Kira üben, um Fürst Asanos Seele zu befreien, die Ehre der Familie Asano wiederherzustellen und der Dame Mika ihren rechtmäßigen Stand als Erbin und Regentin von Ako zurückzugeben.
    Gerechtigkeit
.
    Als er den Eid wiederholte, den er im Verlies abgelegt hatte, kamen ihm die Pläne, die er immer und immer wieder in der Dunkelheit und Stille geschmiedet hatte, langsam wieder ins Gedächtnis.
    Die Gesetze der Menschen – des Shoguns – besagten, dass falsch richtig war, und seine Pläne Verrat.
Ihr Götter
, betete er,
gewährt mir das Privileg, als Werkzeug einer höheren Gerechtigkeit zu dienen. Mir ist gleichgültig, was danach kommt
.
    Schließlich hob er den Kopf, stand auf und wandte sich seinem Sohn und seiner Frau zu. Beide sahen, dass sich der Ausdruck in seinem Gesicht geändert hatte, und wirkten erleichtert. Der verlorene Blick Chikaras verschwand aus seinen Augen, als er den Mut und die Entschlossenheit an seinem Vater wiederfand, die er immer gekannt und an die er immer geglaubt hatte.
    »Wo sind meine Männer?«, fragte Oishi.
    Chikara erhob und verneigte sich, als habe er nicht mehr nur seinen Vater, sondern jetzt auch wieder seinen vorgesetzten Offizier vor sich. Er erkannte, dass Oishis Geist nicht vollständig von Fürst Kira zerstört worden war und dass sein Wille sich als stärker erwiesen hatte als der seines Feindes. Das alles war nur eine Täuschung gewesen.
    Statt einer Antwort lächelte Oishi so gut er konnte. Er wusste in seinem Herzen, dass Chikaras größte Furcht, als er ihn aus dem Verlies gezogen hatte – sein Vater könnte gebrochen worden sein –, der Wahrheit näher gekommen war, als er selbst vermutet hätte. Selbst jetzt war Oishi sich nicht sicher, wie viele seiner Handlungen, seit er befreit worden war, eine Irreführung seiner Feinde gewesen waren und welche dem schrecklichen Ort tief in seiner Seele entsprangen, in den er sich zurückgezogen hatte.
    Aber als man ihn einfach so aus der Burg geworfen und er selbst gesehen hatte, was aus Chikara und Riku geworden war, als er bemerkt hatte, dass Kiras Spitzel ihn immer noch auf Schritt und Tritt bewachten und nach Anzeichen Ausschau hielten, dass er noch nicht völlig gebrochen war – da hatte er festgestellt, dass die Dinge, die man getan hatte, um auch den letzten Funken Widerstand in ihm zu löschen, diesen Funken vielmehr zu einer Flamme angefacht und dem Schatten des Mannes, der er einst gewesen war, Substanz verliehen hatten.
    Riku sah ihn ernst an, auch als Chikaras Lächeln schon zu einem freudigen Grinsen geworden war. Sie kannte ihn schon so lange – länger, als Chikara auf der Welt war – und er sah die Resignation in ihren Augen, als

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