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47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)

Titel: 47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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können, ob er wieder zu seiner Familie zurückkehren konnte oder ob er noch erleben würde, wie sich auf dem kahlen Kirschbaum jenseits des Fensterschlitzes neue Blüten bildeten ...
    Er zuckte heftig zusammen, als plötzlich ein kratzendes, schabendes Geräusch über ihm an seine Ohren drang. Ein Lichtstrahl drang ins Verlies, als die Steinplatte zur Seite geschoben wurde.
War es schon Zeit für seine tägliche Mahlzeit?
    Er stieß sich von der Wand ab und kroch beinahe schon gierig zu der Stelle, an der man sein Essen herablassen würde.
    Doch dieses Mal öffnete sich die Steinplatte weiter und ließ genug Licht herein, um seine Augen zu blenden, die nicht mehr an die Helligkeit gewöhnt waren. Er wich zurück wie ein menschlicher Schatten, als das volle Licht der Fackel ihn traf. Eine irrationale Angst, dass er im Licht verschwinden würde, erfasste ihn – dann blieb nur noch die Angst. Sie hatten diese Steinplatte nicht entfernt, seit man ihn hier eingesperrt hatte.
    Ein langes Seil mit einer Schlaufe am Ende wurde nun zu ihm herabgelassen und baumelte vor seinem Gesicht. Er starrte es verwirrt an und fragte sich, ob man ihm die Möglichkeit bot, sich selbst zu erhängen.
    Die Silhouette von Kopf und Schulter einer Wache erschien im Licht über ihm und eine Stimme, die so laut und hart schien, dass er unwillkürlich die Hände auf die Ohren schlug, rief: »Steh auf,
Ronin

    Langsam stand Oishi auf. Sicher träumte er nur.
Ließen sie ihn tatsächlich frei, nach all der Zeit ... oder war das nur ein Trick?
    Er griff nach dem Seil, das sich tatsächlich echt anfühlte, und zog es hastig über Kopf und Schultern, bevor es sich um seinen Hals zuziehen konnte. Er befestigte es um seine Brust, so gut es seine vor Kälte tauben Finger zuließen.
    Dann begann jemand, ihn hochzuziehen, sein Körper drehte sich in der Luft, und ihm wurde schwindlig.
War es wirklich möglich ...?
    Sein Körper stieß an die Öffnung und schließlich wurde er ins Licht gezerrt. Er blinzelte und schnappte nach Luft. Das erste Gesicht, das er erkannte, war das seines Sohnes. Chikaras klare braune Augen schimmerten vor Erleichterung, als er seinem Vater aus der Grube hinaus und auf die Beine half. Sein Sohn nahm ihm das Seil ab und umarmte ihn – wie er es nicht mehr getan hatte seit ...
seit
... Oishi konnte sich nicht mehr erinnern, so lange war es her.
    Chikara war größer geworden, dachte Oishi, und dünner. Er war so schmal geworden, dass sein Gesicht alles Kindliche verloren hatte. Er trug nicht länger die Gewänder des privilegierten Sohns eines
karō
, nicht einmal die eines einfachen Dieners eines
daimyō
. Sein abgetragener Kimono und die
hakama
sahen aus, als habe er sie aus zweiter Hand.
    Oishi erhaschte sein Spiegelbild in Chikaras Augen: dreckig und abgerissen, in Lumpen gekleidet. Er war kaum in der Lage, aufrecht zu gehen, selbst mit der Unterstützung seines Sohnes, als Chikara ihn von seinem vorzeitigen Grab fortführte, hin zu den Stufen, die aus der Unterwelt hinausführten.
    Er wandt sich bei jedem Geräusch, das seine überreizten Sinne erfassten, als sie endlich die äußeren Tore der Burg erreichten. Die Sonne war hinter Wolken verschwunden, die Schnee verhießen, dennoch musste er seine Augen mit einem Arm gegen das viel zu grelle Tageslicht abschirmen.
    Eine Menge von Dorfbewohnern stand außerhalb der Tore und erwartete sie. Er spürte, dass Chikara zögerte, als sei er nicht sicher, ob sie seinen Vater in der Freiheit begrüßen wollten oder ob man sie gerufen hatte, um Zeugen seiner Demütigung und Entwürdigung zu werden. Eine weitere Lektion, die Kira ihm – und ganz Ako – erteilen wollte.
    Oishi hielt inne, als die Dorfbewohner sich auf der Straße versammelten, als wollten sie sich ihm entgegenstellen. Durch die Gefangenschaft waren seine Vorsicht ebenso wie seine Sinne bis zum Äußersten geschärft. Er versuchte, die Gesichter wiederzuerkennen, und glaubte, Rika zu sehen ... aber die Frau mit dem Kopftuch und dem erdfarbenen Kimono einer Bauersfrau konnte doch unmöglich seine Frau sein.
    Sein Blick glitt über sie hinweg und blieb an einem Mann hängen, der am Rand der Menge stand. Nichts unterschied den Fremden äußerlich von den anderen, und doch war da etwas entschieden Falsches an der Art, wie der Mann ihn ansah, so wachsam und doch seltsam gefühllos.
    Ein Spion. Kira ließ ihn beobachten
.
    Ein Teil seines Verstands sagte ihm, dass er sich das nur einbildete. Nach all dieser Zeit konnte

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