47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
gesinnt gewesen war, in die Begebenheiten des Hauses Rodriganda einzuweihen. Er tat dies aber nur so weit, als es möglich war, ohne sich ganz und gar bloßzustellen. Dennoch aber erfuhr der Pater soviel, daß er am Schluß des kurz gefaßten Berichtes erstaunt ausrief:
„Aber Señor, ist das alles wahr und möglich? Daraus könnte man ja den schönsten Roman machen und ganze Bände mit ihm füllen! Aber könnt Ihr auch der Erzählung Eurer Tochter trauen?“
„Ja. Sie erfuhr fast alles von dem Vaquero und war dann doch die Gefangene dieses Sternau, der ihr vieles mitteilte.“
„So ist jener Landola ein großer Schuft gegen Euch gewesen.“
„Ich werde ihn dafür zur Rechenschaft ziehen!“
„Ja, das müßt Ihr allerdings tun, obgleich ich gestehe, daß ich diesem Menschen großen Dank schuldig bin.“
„Ihr? Ihm Dank schuldig? Wieso?“
„Nun, wäre er nicht falsch gegen Euch gewesen, so hätte ich nicht die Hoffnung, den Grafen samt seinem ganzen Anhang in die Hand zu bekommen. Ihr glaubt also, daß wir die beiden Indianer bald hier haben werden?“
„Ja. Sie sind jedenfalls nach der Hacienda geeilt, um sich Pferde zu holen und uns dann zu folgen. Zwei Männern, wie sie sind, kann unsere Spur nicht entgehen.“
„Wäre es nicht besser, sie von dieser Spur abzubringen?“
„Wie sollte man dies jetzt noch anfangen?“
„Ihr laßt Eure Begleiter weiterreiten.“
„Und Ihr denkt, daß die beiden Häuptlinge ihnen folgen werden?“
„Ja.“
„Das bildet Euch ja nicht ein. Diese Kerls sind so schlau, daß alle unsere Feinheit nicht zureicht, sie zu täuschen.“
„Nun gut. Man wird sie empfangen. Aber meint Ihr wirklich, daß ich Eure Mexikaner im Kloster beherbergen soll?“
„Ist Euch dies nicht möglich?“
„Möglich ist es, aber nicht rätlich. Durch sie würde Eure Anwesenheit verraten werden. Ihr würdet sehr bald gefangen sein.“
„Was soll ich mit ihnen tun?“
„Entlaßt sie einfach!“
„Sie entlassen? Nein, das geht nicht, Señor Mandrillo!“
„Warum sollte es nicht gehen?“
„Ich brauche sie ja; ich brauche Leute, viele Leute!“
„Wozu?“
„Habt Ihr vergessen, daß ich Präsident werden will?“
Da legt der Pater ihm die Hand auf die Schulter und sagte:
„Präsident? Ihr? Das bildet Euch um Gotteswillen nicht ein! Ihr werdet es nicht einmal zum Gouverneur einer Provinz bringen, viel weniger aber gar zum Präsidenten des ganzen Staates.“
Cortejo fühlte sich in seinem Stolz sehr gekränkt, doch von den trüben Erfahrungen der letzten Zeit beeinflußt, fragte er ziemlich kleinlaut:
„Aus welchem Grund meint Ihr das?“
„O, ich habe sehr triftige Gründe. Seid Ihr jetzt etwa imstande, die Franzosen aus dem Land zu treiben?“
„Nein, jetzt noch nicht.“
„Oder Kaiser Max fortzujagen?“
„Nein.“
„Oder könnt Ihr es jetzt wagen, Euch Juarez entgegenzustellen?“
„Jetzt noch nicht, aber es wird sehr bald geschehen.“
„Ah! Wann denn?“
„Sobald ich neue Leute angeworben habe. Dann wird sich auch der ‚Panther des Südens‘ einfinden, um mir mit seinen Leuten beizustehen.“
„Der ‚Panther des Südens‘? Glaubt Ihr das wirklich?“
„Ja.“
„So täuscht Ihr Euch ganz gewaltig. Der ‚Panther‘ hat große Lust, selbst Präsident zu werden. Was er tut, das tut er nur für sich.“
„O, das weiß ich besser. Ich habe ihm sogar die Bezahlung für seine Dienste vorausgesagt.“
„Wirklich? Das ist ein sehr dummer Streich von Euch. Jedenfalls ist der Gedanke, daß Ihr im Norden des Landes auftreten sollt, von ihm ausgegangen?“
„Das ist wahr.“
„Nun seht, er hat Euch los sein wollen. Auf ihn könnt Ihr nicht mehr rechnen.“
„Alle Teufel! Wenn das wahr wäre.“
„Es ist wahr, und ich kann es sogar beweisen.“
„Womit?“
„Durch einen Brief, den ich von ihm erhalten habe.“
„Was? Ihr steht mit dem ‚Panther des Südens‘ im Briefwechsel?“
„Schon lange Zeit.“
„Darf ich den Brief sehen und lesen?“
„Ja. Ich habe ihn jetzt nicht da, werde ihn aber nachher holen. Ich rate Euch, Eure Agitation aufzugeben, denn sie wird keinen anderen Erfolg haben, als daß Ihr Euch nur gewaltig lächerlich macht.“
Cortejo sank in sich selbst zusammen. Die Worte, welche er hörte, waren für seine Eigenliebe außerordentlich verletzend. Der Pater stand dabei und erquickte sich im stillen an der Demütigung, welche er ihm bereitete.
„Geht jetzt, Señor Cortejo, und holt Eure Tochter“, sagte er.
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