47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
Euch und Eurem Agenten geheime Zeichen, welche man nicht bemerken kann, mittels deren Ihr Euch aber verständigt?“
„Nein.“
„Es würde Euch auch nur schaden, mich betrügen zu wollen. Jetzt seht, wie Ihr Euch in dem Logis einrichtet; Girlanden wurden beim Einzug nicht verwendet. Wenn die Antwort kommt, dürft Ihr sie lesen.“
Nach diesen Worten schloß er den Kerker und entfernte sich mit dem Neffen.
„Wer wird den Brief nach Vera Cruz schaffen?“ fragte dieser.
„Der amerikanische Jäger.“
„Grandeprise?“
„Ja.“
„Aber wenn dieser nun nach Cortejo gefragt wird?“
„Das laß mich nur machen! Jetzt vor allen Dingen hast du die Pferde der neuen Gefangenen fortzubringen, damit man nichts merkt.“
Es war während des Geschehenen eine ziemlich lange Zeit vergangen, sodaß es zu spät war, noch mit Grandeprise zu sprechen, am anderen Morgen aber ließ er ihn bereits früh zu sich rufen.
„Señor Grandeprise, ich habe Euch einen Auftrag zu erteilen“, sagte er. „Seid Ihr bereits einmal in Vera Cruz gewesen?“
„Ja“, lautete die Antwort.
„Aber von hier aus nicht?“
„Nein.“
„So würde es Euch wohl schwer werden, den kürzesten Weg zu finden.“
„Mir? Einem Jäger? Wo denkt Ihr hin! Aber was redet Ihr von Vera Cruz? Ich habe dort ja gar nichts zu schaffen!“
„Und doch! Ich möchte Euch bitten, einen Brief dahin zu besorgen.“
Der Jäger machte ein sehr bedenkliches Gesicht.
„Señor, Ihr habt mich vom Tod gerettet“, sagte er, „ich bin also sehr gern bereit, Euch jeden Gefallen zu tun; jetzt aber ist es mir nicht möglich.“
„Warum nicht?“
„Weil ich in Señor Cortejos Diensten stehe. Ich kann nicht fort.“
„O doch, denn gerade von Señor Cortejo ist dieser Brief.“
Die Brauen des Jägers zogen sich zusammen.
„Donnerwetter, ich errate etwas!“ sagte er.
„Was?“
„Dieser Mann will mich gern von hier fort haben.“
„Warum?“
„Damit er mir ein Versprechen welches er mir gegeben hat, nicht zu erfüllen brauche.“
„Ihr meint das Versprechen, Euch Landola zu verschaffen?“
„Ja. Aber woher wißt Ihr das?“
„Er selbst hat es mir gesagt. Übrigens ist Eure Vermutung eine sehr irrige. Señor Cortejo will Euch nicht betrügen, sondern er will sein Versprechen erfüllen, indem er Euch nach Vera Cruz schickt. Dort liegen bei seinem Agenten Nachrichten über Landola, welche Ihr ihm bringen sollt.“
„Das läßt sich eher hören. Aber warum schickt er Euch zu mir? Warum spricht er nicht selbst mit mir?“
„Weil er nicht kann. Er ist nicht mehr da.“
„Nicht mehr da?“ fragte der Jäger enttäuscht. „Seit wann?“
„Seit heute Nacht.“
„Das kommt mir verdächtig vor, Master Hilario!“
„Das sollte mich wundern. Bei der jetzigen Lage der Dinge kann manches passieren, was ungewöhnlich ist. Hat Señor Cortejo Euch denn versprochen, hier zu bleiben?“
„Nein, das allerdings nicht.“
„Oder schuldet er Euch größeres Vertrauen als anderen Leuten?“
„Hm, wie man es nimmt. Ich habe ihm das Leben und die Freiheit gerettet. Ohne mich wäre er entweder tot oder gefangen und blind. Einen solchen Retter in der Not läßt man nicht sitzen, ohne ihn vorher gesprochen oder benachrichtigt zu haben.“
„Das war unmöglich. Es kam ein Bote, der ihn sofort abrief.“
„Wohin?“
„Zum ‚Panther des Südens‘.“
„Hole den der Teufel!“
„Cortejo hatte kaum noch Zeit, diesen Brief zu schreiben, den ich Euch übergeben soll.“
„Hm! Der Brief handelt wirklich von Landola?“
„Ja, ich habe ihn gelesen.“
„An wen ist er? Zeigt einmal her!“
„An den Fischer Gonsalvo Verdillo, welcher der Agent Cortejos ist. Dieser letztere hat um Auskunft geschrieben, wo Landola sich befindet. Die Antwort liegt bei dem Fischer. Ihr sollt sie holen.“
„Wohin ist sie zu bringen? Etwa zum ‚Panther des Südens‘?“
„Nein, sondern zu mir.“
„Aber Cortejo ist ja gar nicht bei Euch.“
„Er wird zur Zeit Eurer Rückkehr wieder hier sein.“
„Dann bin ich eher einverstanden. Gebt den Brief her. Ich werde gleich aufbrechen.“
„Darum wollte ich Euch bitten: Augenblicklich fort und so bald wie möglich wieder zurück. Aber seid vorsichtig! Es ist heutzutage nichts Kleines, einen Brief von Cortejo bei sich zu haben.“ –
Unterdessen hatte sich der Zustand des kranken Haziendero Pedro Arbellez wesentlich gebessert. Die alte, treue Marie Hermoyes gab sich alle mögliche Mühe, seine Schmerzen zu
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