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48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

Titel: 48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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innerhalb welcher Grab an Grab sich aneinander reihte.
    „Das ist der Kirchhof der Franzosen“, sagte er, „welche unter dem hiesigen Gluthimmel dem fürchterlichen Fieber erliegen. Diese leichtsinnigen Kerls nennen ihn nicht anders als ‚Jardin d'acclimatation‘, den Akklimatisierungsgarten.“
    „Wer da liegt, der ist akklimatisiert“, brummte Peters.
    Jetzt hielten die beiden nun eine Suche durch die Stadt. Alle Straßen wurden mehrere Male durchlaufen, und in jedem öffentlichen Haus kehrten sie ein. Am Zollamt hörten sie, daß ein Don Antonio Veridante hier gewesen sei, um sein Gepäck visitieren zu lassen. So traten sie bereits zum dritten Mal in eine Restauration ein, wo sie vorher, ohne sich niederzulassen, nur die Gäste gemustert hatten. Jetzt war der Kapitän einigermaßen müde.
    „Hier ruhen wir uns ein Weilchen aus“, sagte er und steuerte dabei mit breiten Seemannsschritten auf das einzige Tischchen zu, welches noch leer stand. Dort angekommen, wäre er beinahe erschrocken zurückgefahren. An dem Nachbartischchen saßen zwei Männer, ein jüngerer, der ein höchst elegantes und doch dabei männliches Aussehen hatte, und ein älterer, vor dem Wagner eben so sehr erschrocken war. Dieser Mann trug die gewöhnliche Tracht eines Jägers, hatte aber eine Nase von solchen Dimensionen, daß man ganz wohl erschrecken konnte, wenn man ihr unvorbereitet zu nahe kam.
    Dieser Mann hatte gesehen, daß Wagner sich frappiert gefühlt hatte. Er spitzte den Mund, spuckte einen dicken Strahl braunen Tabakssaftes aus, nahm einen riesenhaften Schluck aus seinem Glas und sagte dann:
    „Fürchtet Euch nicht, Señor, sie tut Euch nichts. Das ist eine wahre Seele von einer Nase.“
    Wagner lachte und antwortete:
    „So darf ich also ohne Besorgnis hier Platz nehmen?“
    „In Gottes Namen. Ansteckend ist sie nicht.“
    Das Äußere des jungen Mannes war so vornehm, daß Wagner sich unwillkürlich verbeugte und kurz sagte:
    „Seekapitän Wagner!“
    Der andere erwiderte die Verbeugung und antwortete:
    „Premierleutnant Helmers!“
    Da machte auch sein Nachbar eine Verbeugung und bemerkte:
    „Dragonerkapitän Geierschnabel!“
    Wagner wußte nicht, ob das Ernst oder Scherz sein solle, er hatte auch nicht Zeit, darüber nachzudenken; sein Blick war auf den Oberleutnant gerichtet. Diesem mußte dies auffallen, und darum fragte er mit einem höflichen Lächeln:
    „Wir haben uns wohl bereits einmal gesehen?“
    „Wohl schwerlich, Señor. Es beschäftigt mich aber eine außerordentliche Ähnlichkeit, welche Sie mit einem Kameraden von mir haben.“
    „Also auch einem Seemann?“
    „Ja. Vater und Sohn können sich nicht ähnlicher sein. Und eigentümlicherweise führt mein Freund auch Ihren Namen.“
    „Helmers?“
    „Ja.“
    Kurts Gesicht nahm sofort den Ausdruck der größten Spannung an.
    „Woher ist er?“ fragte er.
    „Aus Rheinswalden bei Mainz.“
    Bis hierher war die Unterredung in spanischer Sprache geführt worden, aber die Freude ebensowohl wie der Schmerz bedienen sich nur der Muttersprache. Kurt sprang empor und rief deutsch:
    „Mein Vater! Das ist mein Vater! Gott, welch ein Glück!“
    „Sie sind ein Deutscher?“ fragte Wagner, nun seinerseits erstaunt, indem er sich augenblicklich auch der deutschen Sprache bediente.
    „Ja, freilich bin ich ein Deutscher. O, Kapitän, Sie nannten meinen Vater Ihren Kameraden. Wo haben Sie ihn gesehen, wo verließen Sie ihn, wo befindet er sich?“
    „Erlauben Sie vorher eine Frage, Herr Leutnant.“
    „Gewiß. Ich stehe zur Verfügung.“
    „Seit wann ist Ihr Herr Vater auf der Seereise abwesend?“
    „Seereise? O, er war verschollen, wohl an die zwanzig Jahre!“
    „So ist es wahr, Sie sind sein Sohn.“
    „Sie wissen, daß er noch lebt?“
    „Ja, sehr genau.“
    „Wo?“
    „Hier in Mexiko. Ich traf vorhin mit meinem Dampfer ein, um ihn und seine Gefährten nach der Heimat zu bringen.“
    „Seine Gefährten? Wer ist das?“
    „O, ich weiß gar nicht, wie viele mit hinübergehen werden, wenn auch nicht für immer, aber doch für einen Besuch.“
    Geierschnabel rieb sich seine Nase mit solcher Vehemenz, daß es schien, als ob er sie sich mit aller Gewalt abbrechen wolle. Kurts Gesicht glänzte vor Entrücken. Er streckte dem Kapitän beide Hände entgegen und sagte:
    „Herr Kapitän, ich hielt meinen Vater seit einer so langen Reihe von Jahren für verloren. Ich zog jetzt aus, ihn zu suchen. Vor einer Stunde warfen wir hier Anker, und nun sagen Sie

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