48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
des Kaisers auf sie, daß sie gelogen habe und vor der Verantwortung entwichen sei.“
„So muß ihre Entfernung im geheimen geschehen.“
„Natürlich. Kennen Sie ihre Wohnung?“
„Sehr gut. Sie wohnt bei der alten Señora Mirando, deren Beichtvater ich bin und deren Haus ich also ganz genau kenne.“
„Könnten Sie sie heute abend aus dem Haus locken, ohne daß es bemerkt wird?“
„Ich bin bereit. Aber was dann?“
„Der Kaiser darf nichts ahnen. Ich sende sie nach Tula und lasse ihr dort als Spionin den Prozeß machen.“
„Lopez ist zuverlässig und verschwiegen, er wird Sie sicher hingeleiten. Sie werden also die Señorita aus dem Haus locken. In der Nähe hält Lopez dann mit seinen Leuten. Um wieviel Uhr sind Sie bereit?“
„Punkt neun Uhr.“
„Lopez wird fünf Minuten vorher zu Ihnen kommen. Adiós!“
„Adiós!“
Während dieses Komplott gegen Emilia geschmiedet wurde, war diese in ihre Wohnung zurückgekehrt. Sie sah ein, daß ihre Rolle hier ausgespielt sei, und sehnte sich fort. Da hörte sie draußen Männerschritte, welche vor der Tür haltenblieben. Die alte Dienerin, welche ihre Wirtin ihr zur Verfügung gestellt hatte, öffnete, steckte den Kopf herein und sagte:
„Zwei Señores wollen Euch sprechen, Señorita.“
„Wer sind sie?“
„Ein Señor Helmers und der andere heißt Strau – Strau – ber – ja, Straubenberger.“
„Ich kenne sie nicht.“
„Aber sie kennen Euch.“
„Nun, so mögen sie eintreten.“
Die beiden Eintretenden waren Kurt und der ‚Kleine André‘. Sobald Emilias Blick auf den letzteren fiel, erheiterte sich ihr Gesicht. Sie eilte auf ihn zu, streckte ihm ihre Hände entgegen und sagte im Ton der höchsten Freude:
„Mein Gott, welch eine Überraschung! Ihr hier, Señor André?“
„Ja, ich“, antwortete der Kleine, ihre Hand ergreifend.
„Wo kommt Ihr denn her?“
André sah sich vorsichtig um, und als er fand, daß die Dienerin sich zurückgezogen habe, antwortete er leise:
„Von Juarez.“
„Von Juarez? Das ist aber unendlich gefährlich.“
„Ja, müßt Ihr wissen, gerade das Gefährliche liebe ich.“
„Das habe ich erfahren. Aber wer ist Euer Begleiter hier?“
Ihr Blick glitt mit sichtlichem Wohlgefallen an Kurts Gestalt nieder.
„Hm. Wenn Ihr das raten könntet!“ schmunzelte der Kleine.
„Mit Raten gebe ich mich nicht gern ab.“
„Er kennt meinen Bruder.“
„Ah!“
„Ja, den Ludewig.“
„So, so“, lächelte sie.
„Habt Ihr denn nicht von den beiden Brüdern Helmers gehört, welche mit Señor Sternau waren?“
„O doch. Ihr meint ‚Donnerpfeil‘ und den Steuermann?“
„Ja. Señor Kurt hier ist der Sohn des Steuermanns. Er ist aus Deutschland herübergekommen, um uns zu retten.“
„Zu retten? Bedurftet Ihr denn der Rettung?“
„Das versteht sich. Wir waren alle miserabel gefangen.“
Das wunderte sie noch mehr, und die beiden mußten sich niedersetzen und erzählen. Dieses letztere besorgte der brave André. Kurt saß da und beobachtete Emilia, deren Schönheit er bewunderte.
Das schöne Mädchen war so lieb und gut mit dem Kleinen, daß diesem das Herz aufging. Was er darauf hatte, mußte herunter und so kam es auch, daß er ihr den Zweck ihrer gegenwärtigen Anwesenheit mitteilte.
„Wie?“ fragte sie Kurt. „Sie wollen mit dem Kaiser sprechen? Ich darf wohl nicht fragen, welches der Zweck Ihrer Audienz beim Kaiser ist?“
„Es ist mir allerdings nicht erlaubt, darüber zu sprechen, obgleich ich überzeugt bin, daß ich Ihnen Vertrauen schenken dürfte.“
„Sicher, Señor. Wie lange werden Sie hierbleiben?“
„Das ist noch unbestimmt. Es kommt das auf die Antwort an, welche ich vom Kaiser erhalte.“
„Sie gehen wieder zu Juarez?“
„Ja.“
„O, würden Sie mich mitnehmen? Ich fühle mich so unsicher und elend hier.“
„Natürlich. Natürlich. Wir nehmen Euch mit!“ rief der ‚Kleine André‘ ganz enthusiasmiert.
„Ich stimme meinem Kameraden vollständig bei“, fügte Kurt hinzu.
„Wann gehen Sie zum Kaiser?“
„Sogleich.“
„Darf ich dann erfahren, wie lange Sie noch hierbleiben?“
„Ich stehe gern zu Diensten. Wann darf ich Sie wiedersehen?“
„Heute abend?“ fragte sie.
„Gewiß.“
„Vielleicht nach neun Uhr? Sie müssen nämlich wissen, daß man hier sehr spät empfängt.“
„Wir werden kommen, Señorita! Nicht wahr, lieber André?“
„Mit dem allergrößten Vergnügen“, schmunzelte der Kleine.
„Wo logieren
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