48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
seiner Linken ein halblaut geführtes Gespräch. Er schlich sich auf diese Gegend zu, mußte aber bald anhalten, denn er war bei einem Baum angelangt, in dessen Nähe zwei Männer saßen, welche miteinander sprachen. Er konnte jedes Wort genau verstehen.
„Wieviel Uhr haben wir?“ fragte der eine.
„Das weiß der Teufel“, antwortete der andere. „Es läßt sich heute kein einziger Stern sehen, nach welchem man die Zeit bestimmen könnte. Und auf der Uhr wird man schwer etwas erkennen.“
„So fühle an das Zifferblatt.“
„Ah, wirklich. Daran habe ich nicht gedacht.“
Es trat eine Pause ein, dann hörte Kurt:
„Wenn ich mich in den Zeigern nicht irre, so ist es jetzt dreiviertel auf Zehn.“
„Also noch fünf Viertelstunden.“
„Du denkst, daß wir um Mitternacht aufbrechen?“
„Ja. Um ein Uhr soll der Angriff unternommen werden.“
„Hm! Was hältst du von diesem Angriff?“
„Eigentlich eine verrückte Idee.“
„Ganz meine Ansicht.“
„Wir sind vierhundert, und der Feind zählt fünfundzwanzigtausend.“
„Unsinn! Wir haben es ja nur mit einem kleinen Teil desselben zu tun!“
„Aber trotzdem wird es nichts sein, als ein Laufen in den Tod.“
„Ich stelle mir die Sache nicht so schlimm vor. Als ich heute Posten stand, kam der Colonel mit dem Boten des Generals Miramon an mir vorüber, und da gelang es mir, einige Worte ihres Gespräches wegzuschnappen.“
„Was sagten sie?“
„Der Colonel war ungehalten darüber, daß er sich opfern solle.“
„Und der Bote?“
„Dieser beruhigte ihn, indem er ihm erklärte, daß es sich ja gar nicht um ein ernstliches Gefecht handle. Es sei nur darum zu tun, die Annahme zu erwecken, daß der Kaiser im Rücken seiner Feinde noch Anhänger habe, welche gesonnen sind, für ihn zu kämpfen.“
„Dummheit. Was könnte das ihm nützen?“
„Wer weiß es? Ich bin kein General und auch kein Minister. Wir greifen an und ziehen uns zurück, sobald die Kugeln des Feindes zu pfeifen beginnen.“
„Ja, und haben dabei nichts weiter zu tun, als uns totschießen zu lassen und ‚Vivat Max!‘ zu rufen. Ich habe große Lust, zurückzubleiben und schreien zu lassen, wer da will.“
„Hast du etwa Angst?“
„Angst? Vor wem?“
„Nun, vor den Waffen der Republikaner.“
„Was fällt dir ein. Hast du jemals bemerkt, daß ich mich gefürchtet habe? Aber es ist ein großer Unterschied, ob ich für eine Sache kämpfe, welche eine Zukunft hat, oder für eine solche, welche ich im vornherein verloren geben muß!“
„Verloren? Du meinst die Sache des Kaisers?“
„Natürlich!“
„Und du erklärst sie für verloren? Das laß nur ja den Colonel nicht hören. Er würde dir eine Kugel vor den Kopf geben lassen.“
„So wäre er dumm genug. Die Wahrheit belohnt man nicht mit einer Kugel.“
„Pah! Die Wahrheit. Du denkst, weil wir jetzt so schauderhaftes Pech gehabt haben, müsse das auch so bleiben. Aber du irrst dich da gewaltig. Miramon ist ein tüchtiger Kerl. Ist er nicht Präsident gewesen? Er wird wohl wissen, was er tut. Und der Streich, welchen wir heute auszuführen haben, hat jedenfalls auch seine Berechnung. Vielleicht sollen wir die Aufmerksamkeit Eskobedos auf uns lenken, damit den unseren in der Stadt ein Ausfall gelingt, welcher den Belagerern verderblich wird.“
Während dieses Gesprächs, am Schluß desselben, hatte Kurt nahende Schritte vernommen, welche aber den beiden Sprechenden entgangen waren. Jetzt fragte eine tiefe befehlshaberische Stimme:
„Was fällt euch ein, so laut hier zu sprechen?“
„Ah! Der Colonel!“ riefen die beiden, indem sie aufsprangen.
Kurt hatte die Ansicht, daß die eigentliche Truppe im Innern des Wäldchens kampiere, während am Rand desselben Doppelposten gelegt waren. Einen solchen Posten bildeten jedenfalls auch die beiden, welche er belauscht hatte. Daß seine Meinung die richtige sei, sollte er sogleich hören.
„Leise!“ befahl der Colonel. „Ich habe doch den Befehl gegeben, daß auf Posten nicht gesprochen werden soll!“
Die zwei fühlten sich schuldig, und schwiegen infolgedessen. Der Colonel fuhr fort:
„Ist etwas vorgekommen?“
„Nein“, antwortete der eine.
„Auch nichts Verdächtiges gehört?“
„Gar nichts.“
„So verhaltet euch ruhiger als bisher. Anstatt zu hören, werdet ihr gehört, wenn ihr laut sprecht. Ich will einmal rund rekognoszieren gehen. Fällt während dieser Zeit etwas vor, so meldet ihr es dem Major.“
Kurt konnte ihn nicht
Weitere Kostenlose Bücher