48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
ging. Er ahnte ganz und gar nicht, wer derjenige sei, dem er das Leben geschenkt hatte.
Man hatte von Seiten der Republikaner Kurt gleich von vornherein aufgegeben. Als man aber seine Rakete steigen sah, begann man zu hoffen, und jetzt wurde er mit Freude empfangen. Der Kommandierende gab seine Zustimmung zu allem, was er versprochen hatte, er sah ein, daß man, um Blutvergießen zu verhüten, doch einige Konzessionen machen könne.
Eine Viertelstunde später fand er und Kurt sich mit dem Major und dessen Begleiter zusammen, um die notwendigen Einzelheiten zu vereinbaren. Das Hauptergebnis war, daß die Gefangenen noch während der Nacht die Waffen abzuliefern und dann den Morgen zu erwarten hatten, um nach dem Lager vor Querétaro transportiert zu werden.
Natürlich war von Schlaf keine Rede. Die Offiziere der Guerillas hatten ihr Ehrenwort gegeben, nicht zu fliehen, und durften sich daher frei bewegen. Dieses Vorrecht hätte auch ein anderer gern genossen, nämlich – der Pater. Er meinte, in Kurt ein mitleidiges, nachsichtiges Gemüt kennengelernt zu haben und ließ ihn um eine Unterredung bitten. Der Leutnant verfügte sich zu ihm, da er glaubte, daß es sich vielleicht um eine wichtige Mitteilung handeln könne.
„Was wünschen Sie?“ fragte er ihn.
„Ich wollte mir eine Erkundigung gestatten. Nicht wahr, unsere Offiziere sind frei auf Ehrenwort? Könnte ich das nicht auch für mich erlangen?“
Kurt brachte vor Erstaunen zunächst kein Wort hervor, dann aber fragte er in einem keineswegs Hoffnung erweckenden Ton: „Für Sie –“
„Ja.“
„Aber Mann, sind Sie klug? Ich habe Ihnen gesagt, daß man einen Menschen, der das unternimmt, was Sie ausgeführt haben, in die Klasse oder Ordnung der Spione rechnet. Sie haben mir das Leben zu verdanken.“
„Mein Leben gehört dafür Ihnen!“
„Ich verzichte auf diesen Besitz. Wissen Sie auch, daß man Spione zu denjenigen Menschen zählt, welche keine Ehre besitzen? Ich schließe mich der allgemeinen und landläufigen Ansicht an. Nun sagen Sie, wenn Sie ehrlos sind, wie wollen Sie da auf Ehrenwort freiere Bewegung erlangen? Wer keine Ehre hat, kann auch kein Ehrenwort geben.“
Das war dem Pater denn doch etwas zu deutlich. Er sagte:
„Señor, Sie wissen noch nicht, wer ich bin, Sie halten mich für einen Spion, allein ich bin Arzt, und zwar Arzt und Priester, man nennt mich Pater Lorenzo, ich lebe im Kloster de la Cruz in Querétaro.“
„Also ein Klostergeistlicher. Kennen Sie das Bibelwort von der Lieblichkeit der Boten, die da Frieden predigen und das Heil verkündigen?“
„Warum sollte ich es nicht kennen?“
„Ein solcher Bote des Friedens sollen Sie sein. Und was sind Sie? Ein Bote, der auf dem Weg der Spione wandelt, um Kampfbefehle auszutragen. Man wird Ihnen keine freie Bewegung erlauben.“
Der Tag wollte anbrechen, aber es war noch dunkel. Trotzdem sah Kurt die Augen des Paters mit glühendem Blick auf sich ruhen. Es waren die Augen der Wildkatze, welche zum Sprung bereit ist. Dieser Mann erweckte in ihm ein höchst negatives Gefühl.
Aber der Pater hatte gelernt, sich zu beherrschen. Er sagte nach einer kurzen Pause in demütigem Ton:
„Sie beurteilen mich falsch. Ich mußte meinen Oberen gehorchen und glaubte meinem Kaiser zu dienen.“
„Für meine Person will ich diese Gesinnungen und Gefühle gelten lassen, aber von anderer Seite wird man keine Lust haben, sie anzuerkennen. Also Sie sind ein treuer Anhänger des Kaisers?“
„Ja! Und indem ich Ihnen, dem Republikaner, dies offen gestehe, gebe ich Ihnen den Beweis, daß ich kein feiger Spion bin.“
Da brach ein eigentümliches, gefährliches Feuer aus den Augen des Paters hervor. Er verstand es, dasselbe sogleich zu dämpfen, doch Kurt hatte es bereits bemerkt.
„Welche Blicke!“ dachte er. „Dieser Pater ist ein böser, ein gefährlicher Mensch. Ich werde mich vor ihm hüten.“
Endlich brach der Morgen an, und der Zug konnte sich in Bewegung setzen. Die Gefangenen in der Mitte, ging es auf Querétaro zu. Natürlich hatten die Sieger die Pferde der Besiegten in Anspruch genommen.
Der Weg wurde in größter Ordnung zurückgelegt, bis man an eine Schlucht kam, welche nach links hin in eine Höhe schnitt und mit dichtem Buschwerk bestanden war.
Der Pater hatte sich geärgert, daß es ihm nicht erlaubt gewesen war, sich den gefangenen Offizieren anzuschließen, denen man ihre Pferde gelassen. Er sah seine Zukunft beim Licht des Tages, welches jede Imagination
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