48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
lassen Sie mich nicht entkommen?“
„Weil ein Spion das nicht wert ist!“
„Und warum fesseln Sie mich?“
„Weil ein Spion das wert ist.“
„Wo sind die anderen?“
„Vorwärts. Man wollte Sie in Masse verfolgen, aber ich habe sie zurückgewiesen. Um einen Pater zu fangen, ist ein Mann mehr als genug.“
Der Pater drängte seinen Ärger zurück und sagte:
„Wenn man nicht wüßte, daß Sie mich wieder ergriffen haben, würde ich Ihnen einen sehr akzeptablen Vorschlag machen.“
„Kann ich denselben nicht unter den gegenwärtigen Verhältnissen hören?“
„Es würde nichts nützen.“
„Das weiß man nicht.“
„Gut! Sie sollen ihn hören. Aber machen Sie mir vorher erst die Fesseln weg!“
„Nein, Schatz! Sonst müßte ich Sie vielleicht wieder einfangen, und es ist mit einem Mal genug. Es geht dabei nicht sehr rücksichtsvoll zu, und es schmerzt mich, einen Angehörigen Ihres Standes unzart zu behandeln.“
„Sie spotten? Wenn Sie wüßten, was ich Ihnen sein könnte, würden Sie das nicht tun!“
„Nicht? Nun, was könnten Sie mir denn sein?“
„Ihr – Ihr Wohltäter.“
„Ah! Inwiefern denn?“
„Nicht wahr, Sie sind nicht reich?“
„Hm! Nicht sehr.“
„Sondern arm?“
„So ziemlich!“
„Nun, ich könnte Sie reich machen, nach Ihren Begriffen sehr reich.“
„So? Sind Ihnen denn meine Begriffe so sehr bekannt?“
„Ich denke es.“
„Nun, wodurch wollen Sie mich denn reich machen?“
„Indem ich Ihnen meine Freiheit bezahle.“
„Pah! Ihre Freiheit ist ganz und gar nichts wert. Ich gebe keinen Pfifferling dafür.“
„Aber ich.“
„Wirklich? Wie viel?“
„Ich biete Ihnen fünftausend Dollar.“
„Ah! Sie haben also Geld?“
„Ich bin reich.“
„So so. Dann können Sie auch noch mehr bezahlen.“
„Gut. Ich biete Ihnen zehntausend.“
„Alle Wetter! Sie müssen es sehr notwendig haben, wieder frei zu sein.“
„Das ist auch wirklich wahr. Ich habe nämlich einige schwere Patienten liegen, welche ohne mich sterben müssen.“
„Da tun mir die Patienten leid, der Arzt aber keineswegs. Ich denke, aus unserem Handel wird nichts werden. Kommen Sie!“
Er hob ihn empor, um ihn auf das Pferd zu nehmen.
„Fünfzehntausend!“ rief der Pater.
„Unsinn!“
„Ich gebe zwanzigtausend!“
„Schweigen Sie, ich brauche Ihr Geld nicht.“
Bei diesen Worten stieg Kurt auf und nahm den Pater zu sich empor.
„So haben Sie doch nur Erbarmen“, bat dieser in höchster Verzweiflung. „Ich biete Ihnen ja dreißigtausend Dollar!“
Kurt setzte sein Pferd in Bewegung und antwortete:
„Jetzt ersuche ich Sie, still zu sein, sonst stecke ich Ihnen einen Knebel in den Mund. Daß Sie für Ihre Freiheit so viel bieten, macht Sie mir im höchsten Grade verdächtig; ich werde mich informieren, welche Gründe es sind, welche Sie veranlassen, für Ihr Entkommen solche Opfer zu bieten. Ihr Gewissen scheint viel schlimmer bestellt zu sein, als ich bisher dachte.“
Er setzte sein Pferd in Galopp und flog den anderen nach, welche er kurz vor dem Lager erreichte.
Der Pater hatte den Mund nicht wieder geöffnet. Er schien sich einstweilen in sein Schicksal ergeben zu haben. Jetzt wurde er vom Pferd genommen, um seinen Einzug mit den anderen zu Fuß zu halten, wobei es ohne einige Püffe und Stöße nicht abging.
Er hatte mit seinem Fluchtversuch so viel erreicht, daß er in ein Gefängnis gesteckt wurde, während die anderen nach dem Gefangenendepot gebracht wurden, wo ihnen ihr Los möglichst wenig hart gemacht wurde.
General Hernano war sehr erfreut über den günstigen Erfolg der Expedition. Ganz entgegen der Art und Weise, wie er Kurt am Abend vorher empfangen hatte, spendete er demselben jetzt das höchste Lob und versprach, seiner gegen Juarez und den Obergeneral in bester Weise zu erwähnen.
Bei Erwähnung des Paters und dessen Flucht gab er den Entschluß kund, über die Person dieses Mannes die genaueste Erkundigung einzuziehen. Kurt wurde in größter Freundlichkeit entlassen.
Er stand eben im Begriff, sein Pferd zu besteigen, als ein Reiter in kurzem Galopp dahergeritten kam. Kurt erkannte ihn bereits von weitem, es war – Sternau.
„Ah, Herr Doktor, Sie hier?“ rief er ihm entgegen. „Das ist eine Überraschung!“
„Dich zu finden, für mich auch, mein Junge“, antwortete der Arzt. „Ich suchte dich.“
„Wo?“
„Bei dir. Es hat seit einiger Zeit keinen Kampf, kein Gefecht gegeben; so habe ich einige freie Zeit und
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