48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
gewollt.“
„Und so brauchen wir uns keine Vorwürfe zu machen. Hier aber haben wir nichts mehr zu tun. Ich wollte nur noch diese verhängnisvollen Schüsse hören. Nun bin ich Zeuge eines der größten geschichtlichen Trauerspiele gewesen, und werde Querétaro verlassen.“
„Ohne Abschied oder Urlaub?“
„Ich bin von Eskobedo nicht abhängig.“
„Wohin gehen Sie?“
„Zu Juarez.“
„Ah, darf ich mit?“
„Natürlich“, nickte Kurt.
„Ah, da werde ich Señorita Emilia sehen! Geht Herr Doktor Sternau auch mit uns?“
„Ich hoffe es. Reiten Sie voraus zu ihm, damit ich ihn bereit finde, wenn ich komme.“
Am anderen Morgen ritten die drei unter Begleitung der beiden Indianerhäuptlinge nach San Louis Potosí. Als sie durch Guanajuato kamen, hielt der ‚Kleine André‘ an.
„Ah, meine Herren, kennen sie dieses Pferd?“
Dabei deutete er auf ein gesatteltes Pferd, welches vor einer Venta hielt.
„Das Pferd des ‚Schwarzen Gerard‘“, antwortete Sternau.
„Er muß hier abgestiegen sein. Gehen wir hinein.“
Aber sie brauchten nicht in das Haus zu treten. Gerard hatte sie schon gesehen und kam heraus. Er war in Santa Jaga gewesen und hatte sie aufsuchen wollen, um ihnen mitzuteilen, daß dort alles in Ordnung sei. Natürlich schloß er sich ihnen an.
Als sie Potosí erreichten und ihre Pferde untergebracht hatten, begab sich Sternau mit Kurt sofort zu dem Präsidenten, welcher sie empfing, obgleich er mit Geschäften überhäuft war.
„Sie bringen Trauriges?“ fragte er ernst, nachdem die Begrüßungsworte gewechselt worden waren.
„Ja“, antwortete Kurt. „Ich bringe den Schall der Schüsse, unter denen Max von Österreich gefallen ist.“
„So waren Sie bei der Exekution zugegen?“
„Nein. Ich mußte verschmähen, ein Schauspiel anzustaunen, welches ich hatte kommen sehen.“
„Eskobedos Kurier ist bereits angelangt. Maximilian ist mutig und als Mann gestorben. Ich war sein politischer Gegner, aber nicht sein persönlicher Feind.“
Es war, als ob er es für nötig gehalten hätte, diese Entschuldigung hier auszusprechen; daher fiel Sternau schnell ein:
„Wir wissen das am besten, Señor!“
„Ah!“ sagte Juarez, indem er ein leises, geheimnisvolles Lächeln bemerken ließ. „So hatten Sie mich verstanden!“
„Ja, Señor, und Sie haben sich bemüht?“ frag Sternau.
„Sogar sehr eifrig, aber ohne Erfolg, sogar Leutnant Helmers hier wurde abgewiesen“, antwortete Juarez.
„So hielten Sie es also doch für möglich, Herr Leutnant, den Erzherzog – Sie verstehen?“
„Es war sogar sehr leicht“, antwortete Kurt.
Da schüttelte Juarez den Kopf, trat an das Fenster und sah lange schweigend hinaus. Dann drehte er sich rasch wieder um und sagte:
„So hat er es nicht anders gewollt. Er ist tot, richten nicht auch wir noch über ihn. Ihnen aber danke ich, daß Sie meine Andeutungen verstanden und danach gehandelt haben. Man wird mich falsch beurteilen, Sie aber kennen mich besser, obgleich Sie schweigen müssen, solange ich noch die Zügel der mexikanischen Angelegenheiten in den Händen halte. Während dieser Zeit darf kein Republikaner wissen, was ich tat und wünschte. Aber wenn ich einmal abgetreten oder tot sein werde, dann denken Sie daran, daß die Zeit gekommen sei, der Welt mitzuteilen, wie gern ich meinen Gegner retten wollte. Dies ist das Vermächtnis, welches ich Ihnen anvertraue, wenn Sie das Land verlassen, welches der Schauplatz einer Tragödie war, welche ich weder veranlaßt, noch verschuldet habe.“
Er sprach ernst und aus bewegtem Herzen. Die beiden Zuhörer waren ebenso bewegt. Es entstand eine Pause, die Juarez mit der Frage beendete:
„Und nicht wahr, daß Sie Mexiko verlassen, wird sehr bald geschehen?“
„Wir hoffen es allerdings“, antwortete Sternau. „Aber einige Zeit werden wir immer noch unter Ihrem Schutz bleiben müssen, Señor.“
„Das freut mich. Sie wissen, daß alles geschieht, was ich für Sie tun kann. Wir müssen, ehe Sie abreisen, die Angelegenheit der Rodriganda beenden, soweit dieselbe nämlich vor das mexikanische Forum gehört.“
„An welchen Richter haben wir uns da zu wenden?“
„An mich selbst. Ich werde dafür sorgen, daß Ihre Sache in ebenso gerechte wie eifrige Hände gelegt wird. Die Gefangenen befinden sich noch im Kloster della Barbara?“
„Ja. Sie sind sehr gut bewacht.“
„Holen Sie sie. Lassen Sie auch Marie Hermoyes, den alten Haziendero Pedro Arbellez nebst seiner Tochter
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