48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
Zellen ihrer verschiedenen Gefängnisse geholt.
Für einen jeden war ein von einer starken Eskorte umgebener Wagen bestimmt und ein starkes Holzkreuz, an welches gelehnt er die Kugeln empfangen sollte. Auf dem Hauptplatz trafen die drei Wagen zusammen und fuhren dann langsamen Schrittes und von einer ungeheuren Menschenmenge gefolgt, nach dem Richtplatz.
Der Zug wurde von einer Schwadron Lanciers eröffnet. Dann kam die Musik, welche einen Trauermarsch spielte. Das Spalier bildete ein Bataillon Infanterie, das Gewehr im Arm, in zwei Reihen, jede vier Mann hoch.
Als der Zug die hohe Spitalspforte erreichte, warf Mejia einen herausfordernden Blick auf die Menge und rief mit lauter Stimme dem Kaiser zu:
„Majestät, geben Sie uns zum letzten Mal ein Beispiel von Ihrem edlen Mut. Wir folgen Ihnen in Tod und Grab!“
Gerade in diesem Augenblick zogen die Franziskaner vorüber. Die beiden vordersten trugen das Kreuz und das geweihte Wasser, die anderen hielten Kerzen in den Händen.
Jeder der drei Särge, welche hinter den Verurteilten folgten, wurde von vier Indianern getragen. Dann folgten die drei Hinrichtungskreuze nebst den Bänken.
In den Augen Maximilians lag während des ganzen Weges ein Ausdruck, den niemand vergessen kann, der den verlassenen und verratenen Kaiser in seiner letzten Stunde geschaut hat.
Sobald sein Wagen den Hauptplatz verlassen hatte, wendete er das große Auge mit unverwandtem Blick nach Osten, wo die Heimat lag, und alles, alles, was er verlassen hatte, um einem Trugbild zu folgen, welches ihn in das nun offene Grab führen sollte. Dort drüben über der See lag auch Miramare, wo die Kaiserin gestörten Geistes durch die Gemächer und die Gärten irrte, nichts von all der Herrlichkeit bemerkend, durch welche sich dieser Edelsitz anderen auszeichnet.
Ein schmerzvolles Lächeln umspielte seine Lippen. Die eine blasse Hand lag ruhig auf dem Polster des Wagens, während die andere leise den schönen, langen Bart strich.
Als der Zug den Richtplatz erreichte, wurde die Menge zurückgehalten, und die Truppen bildeten ein Viereck, welches nach einer Seite zu offen blieb.
Eskobedo, welcher die Exekution selbst befehligte, näherte sich mit seinem Stab den drei Wagen und befahl den Gefangenen auszusteigen.
„Vamos nos à la libertad – sterben wir für die Freiheit!“ sagte Max mit einem Blick in die aufgehende Sonne, die ihm zum letzten Mal leuchten sollte. Dann zog er seine Uhr und ließ eine daran angebrachte Feder spielen. Es sprang ein Deckel auf, welcher das Miniaturporträt der Kaiserin Charlotte barg. Er küßte das Bild und reichte dann die Uhr dem Beichtvater mit der Bitte:
„Überbringen Sie dieses Andenken meiner geliebten Gattin in Europa. Sollte dieselbe Sie jemals verstehen können, so sagen Sie ihr, daß meine Augen sich schließen mit ihrem Bildnis, welches ich mit nach oben nehme!“
Die Sterbeglocken hallten dumpf zusammen. An der dicken, äußeren Kirchhofmauer hielten die Verurteilten, denen ihre Plätze angewiesen wurden. Maximilian schritt in fester, aufrechter Haltung nach dem Holzkreuz und der Bank, welche man für ihn neben dem geöffneten Grab aufgestellt hatte. Mejia tat desgleichen. Miramon aber wankte. Sein Auge irrte wie nach Hilfe suchend über die Höhe und in die Ebene hinaus.
Jetzt wurden das Todesurteil und die Gründe verlesen, und dann erteilte man den Gefangenen die Erlaubnis, noch einmal zu sprechen. Miramon stammelte einige Worte. Mejia machte eine stolze Handbewegung als Zeichen, daß er auf diese Gnade verzichte. Aber der Kaiser ergriff die Gelegenheit, zum letzten Mal auf Erden seine Stimme öffentlich hören zu lassen.
Man hat viel über seine letzten Worte gefabelt; man hat ihm Reden in den Mund gelegt, welche die Zeit einer ganzen Viertelstunde in Anspruch genommen hätte; sie sind erfunden. Nach authentischen Berichten trat er einen Schritt vor und sagte mit lauter, fester Stimme: „Ich sterbe für eine gerechte Sache, die der Freiheit und Unabhängigkeit Mexikos! Möge mein Blut das Unglück meines neuen Vaterlandes auf immer besiegen! Es lebe Mexiko!“
Diese Worte fanden keinen Widerspruch, aber auch nicht den leisesten Wiederhall.
Nun wurden drei Pelotons herauskommandiert, ein jedes aus fünf Mann und zwei Unteroffizieren bestehend. Sie näherten sich den Verurteilten bis auf drei Schritte.
Der Kaiser winkte dem Feldwebel, welcher die Pelotons befehligte, zu sich heran, zog eine Hand voll Goldstücke hervor und
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