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48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

Titel: 48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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beherrschen‘. Er war in dieser Lektüre so sehr vertieft, daß er ein halblautes Klopfen an die Tür zweimal überhörte. Erst als dasselbe zum dritten Mal, und zwar etwas ungeduldiger, erklang, vernahm er es. Er blickte auf die Uhr, zog die Brauen finster zusammen, wie man es bei einer unangenehmen Störung zu machen pflegt, und rief ein kurzes „Herein!“.
    Aber kaum hatte sich die Tür geöffnet, sodaß er den Eintretenden bemerken konnte, da glätteten sich die Falten seines Gesichtes augenblicklich, und er erhob sich in einer Weise, welche deutlich besagte, daß der Kommende ihm sehr angenehm und willkommen sei.
    Dieser war von kurzer, gedrungener Gestalt. Seine gelben Hängebacken ließen erraten, daß er nicht gewöhnt sei, zu darben; seine kleinen Äuglein hatten jetzt einen freundlichen Glanz, konnten jedenfalls aber auch ganz anders blicken, und seine ganze Erscheinung war diejenige eines Mannes, welcher sich seines Wertes und seiner Würde vollständig bewußt ist.
    „Ah, mein lieber Bruder in dem Herrn, willkommen, tausendmal willkommen“, sagte Hilario, indem er dem Eintretenden beide Hände entgegenstreckte. „Wie lieblich sind die Füße der Boten, die da Gutes predigen und Heil verkündigen. Euch hätte ich nicht erwartet, das will ich Euch aufrichtig sagen.“
    Sie küßten sich gegenseitig auf die fast mit anekelnder Zärtlichkeit angebotenen Wangen, und dann antwortete der andere:
    „Der Mann des Glaubens wandelt die Wege der Vorsehung. Er weiß heute niemals, wohin sie ihn morgen führen werden, aber er bringt Segen mit seinen Schritten und Freude mit seinen Worten.“
    Bei dieser mit großer Salbung hervorgebrachten Rede erheiterten sich die Züge des Paters Hilario in einer solchen Weise, daß seine Freundlichkeit wörtlich eine glänzende genannt werden konnte.
    „Wie“, fragte er, „Ihr bringt mir gute Botschaft?“
    „Ja“, nickte der andere.
    „Woher? Aus dem Hauptquartier des Juarez?“
    „O nein. Was kann aus der Höhle der Hyänen Gutes kommen.“
    „Aus dem Lager des französischen Marschalls?“
    „Auch nicht. Der Franzose hat uns genommen, soviel er konnte; er wird uns nichts wiedergeben. Von ihm haben wir nichts zu erwarten.“
    „Also vom Kaiser?“ meinte er, jetzt sehr gespannt.
    „Ja, lieber Bruder, vom Kaiser komme ich.“
    „Ah, vom Kaiser selbst?“
    „Nein. Der Kaiser ist ein Rohr. Von einer starken Hand gehalten, wird es wachsen und zunehmen, unbeschützt aber wird es der nächste Wind umbrechen, sodaß es im Staub liegt. Ich komme vom obersten Diener des Herrn und habe Euch im Namen desselben einige Fragen vorzulegen.“
    „Ich bin bereit, Euch zu antworten. Wollen wir aber nicht zu dem Wort auch den besten Quell des Wortes nehmen?“
    Er öffnete ein kleines Schränkchen und zog eine Flasche hervor, aus welcher er zwei Gläser füllte. Sie stießen an und nahmen die Gläser an den Mund. Es war eigentümlich, mit welcher scharfen Aufmerksamkeit der Gast sein Auge auf das Glas des Paters richtete, um sich zu überzeugen, ob derselbe auch wirklich trinken werde. Erst als er bemerkte, daß Hilario sein Glas bis über die Hälfte leerte, ließ auch er sich den süßen, starken Trank über die Lippen laufen. Es war fast, als ob er besorgt sei, daß der Wein eine schädliche Substanz enthalten könne. Hielt er den Pater Hilario, gegen den er doch so freundlich war, für einen Giftmischer?
    Sie setzten beide die Gläser auf den Tisch und sich auf die Stühle daneben; dann begann der kleine Dicke:
    „Sind wir hier vollständig sicher und unbeobachtet, mein Bruder?“
    „Wir werden nicht gestört.“
    „Auch wird niemand unsere Worte vernehmen?“
    „Man kann und wird uns nicht belauschen, denn mein Neffe ist angewiesen, Wache zu halten, sobald ich Besuch bei mir habe.“
    „So wollen wir von Politik sprechen, oder vielmehr von einer Seite der Politik –“
    Sein Blick fiel auf das aufgeschlagene Buch, welches der Pater auf den Tisch gelegt hatte. Er unterbrach sich, nahm es zur Hand, las den Titel, blätterte ein wenig darin und sagte dann, zustimmend mit dem Kopf nickend:
    „Ihr lest dieses Buch? Wißt Ihr bereits, daß es in einigen Ländern verboten ist?“
    „Ja. Aber der Verfasser gehört zu den unsrigen.“
    „Folglich ist es wert, wenigstens gelesen zu werden. Auch ich habe es und kann sagen, daß ich es mit vielem Vergnügen durchlas. Was sagt Ihr zu dem Kapitel über die Wahl der Mittel zu den im Titel angegebenen Zwecken?“
    „Hm“,

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