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48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

Titel: 48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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etwa entschlossen, sich gegen denselben aufzulehnen?
    Der andere schien dieser Ansicht zu sein, denn seine Äuglein verkleinerten sich noch mehr, und er nagte einige Augenblicke lang mit den Zähnen auf der Unterlippe, ehe er in scheinbar gleichgültigem Ton sagte:
    „Wem fällt es denn ein, Eure Individualität anzugreifen? Wir sprachen ja nur darüber, daß der Verfasser dieses Buches zu weit zu gehen scheint, und es war, gerade da er einer der unsrigen ist, meine Pflicht, ihn gegen diesen Vorwurf in Schutz zu nehmen.“
    „Es sollte eine Meinung sein und kein Vorwurf“, entschuldigte sich Pater Hilario.
    „Das freut mich um Euretwillen, und besonders auch des Umstandes wegen, daß wir sehr oft, ja meist gezwungen sind, nach den Anschauungen dieses Buches zu handeln. Der Beweis für diese Behauptung wird sich auch Euch gegenwärtig bieten.“
    „So vermute ich, daß Ihr mir den Stoff oder vielmehr den Auftrag zu einer solchen Handlung bringt.“
    „Ihr vermutet richtig. Es soll Euch Gelegenheit gegeben werden zu einer Tat des Geistes, auf welche Ihr stolz sein könnt, zu einer Tat, welche große Belohnung finden wird.“
    „Ich bin gern bereit, Euren Auftrag entgegenzunehmen.“
    „So hört.“
    Der Kleine ergriff das Glas, benetzte seine Lippen, als ob er dieselben zu dem kommenden erst kräftigen müsse, setzte sich behaglich in seinem Stuhl zurecht und fuhr dann fort:
    „Ihr kennt den Zustand unseres Landes und wißt, was wir, das heißt unsere Gesinnungsgenossen, von demselben erwarten können. Oder glaubt Ihr etwa, Euer Heil bei Juarez zu finden?“
    „O, keineswegs.“
    „Bei diesem österreichischen Max?“
    „Ebensowenig.“
    „Oder bei irgend einem anderen Führer, welcher unseren Grundsätzen ebenso fernsteht, wie er sich weigert, unsere berechtigten Forderungen anzuerkennen und zu befriedigen?“
    „Ganz und gar nicht.“
    „Nun gut, so sehen wir doch einmal, ob uns wirklich alle Hoffnungen genommen sind. Was haltet Ihr von der Fortdauer der französischen Invasion?“
    „Die Franzosen müssen gehen.“
    „Von der Fortdauer des Kaiserreiches?“
    „Es wird und muß zusammenbrechen, sobald es seiner einzigen Stütze, das heißt der Franzosen, beraubt ist.“
    „Was wird dann geschehen?“
    „Juarez wird wieder an das Ruder kommen.“
    „Und was haben wir von diesem Mann zu erwarten?“
    „Die unnachsichtigste Rache, die schärfste Unterdrückung.“
    „Ich sehe, daß wir übereinstimmen. Wir müssen dieses uns bevorstehende Schicksal zu vermeiden suchen; das ist eine Aufgabe, an welche wir alle Kräfte setzen müssen.“
    „Es wird uns nicht gelingen, sie zu lösen“, meinte der Pater.
    „Warum?“ fragte der andere, indem ein leises, überlegenes und fast höhnisches Lächeln um seine Lippen spielte.
    „Wollen und können wir die Franzosen zurückhalten?“
    „Fällt uns nicht ein.“
    „Oder wollen wir das Kaiserreich dieses Maximilian stützen?“
    „Dies ebensowenig.“
    „Oder wollen wir uns der wahnsinnigen Hoffnung hingeben, daß es uns gelingen werde, Juarez uns zum Freund zu machen?“
    „Das am allerwenigsten. Wißt Ihr, was er kürzlich hat über uns verlauten lassen?“
    „Ich hörte es noch nicht.“
    „Er hat geäußert, daß es eine Partei im Land gebe, welche er die Partei des Teufels nennen möchte. Weder republikanisch, noch kaiserlich, noch sonst irgendwie gesinnt, rekrutiere sie sich aus Menschen, welche, außerhalb aller göttlichen und menschlichen Gesetze stehend, sich von der Kirche losgesagt haben und zum Schein und zur Täuschung anderer sich doch unter dem Panier des Christentums versammle. Diese Partei gebe keinen Pardon und habe also von ihm auch keinen zu erwarten. Sie sei trotz ihres frommen Habitus ja nicht etwa mit der Partei der Ultra oder kirchlich Gesinnten zu verwechseln. Sie bestehe aus nur wenigen Mitgliedern, besitze aber eine Tatkraft und Rücksichtslosigkeit, welche sie geradezu furchtbar mache.“
    Pater Hilario lächelte zufrieden vor sich hin.
    „Dieser Juarez scheint uns zu kennen“, meinte er. „Sein Urteil weicht nicht gar sehr von der Wahrheit ab.“
    „Ich muß es sogar als vollständig treffend bezeichnen. Wir sehen also sehr leicht ein, daß wir von den anderen keine Vorteile, von ihm aber weder Gnade noch Erbarmen zu erwarten haben. Wird er von neuem Präsident, so fallen wir dem unvermeidlichen Verderben anheim. Daraus folgt der Kernpunkt unserer gegenwärtigen Politik: Die anderen gehen fort, Juarez aber geht

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