48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
unschädlich zu machen, ja, es soll sogar vorgekommen sein, daß – ah, solltet Ihr es nicht auch bereits gehört haben?“
„Was?“
„Daß man mit einigen Tropfen dieses Toloadschi sogar gekrönte Häupter wahnsinnig gemacht hat?“
„Weiß nichts davon“, antwortete der Pater möglichst unbefangen. Dem anderen aber entging es nicht, daß seine Stimme plötzlich einen gepreßten Ton angenommen hatte.
Der Dicke fuhr in erzählendem Ton fort:
„So spricht man von einer Kaiserin, von welcher das Volk nichts wissen wollte, weil sie und der Kaiser dem letzteren aufgedrungen worden waren. In einem Kloster wohnte ein früherer Pater, der sich sehr viel mit Medizin beschäftigt hatte und besonders ein ausgezeichneter Kenner des Toloadschi war.“
Der Pater konnte ein Husten nicht unterdrücken.
„Ihr hustet?“ fragte der andere höhnisch. „Seid Ihr krank?“
„Nein.“
„Oder langweilt Euch mein Geschwätz?“
„O nein.“
„So kann ich diesen hochinteressanten Fall weiter erzählen. Zu diesem Pater nämlich kamen zwei Männer und verlangten von diesem wahnsinnerzeugende Gifte. Sie machten kein Hehl daraus, daß es für die Kaiserin bestimmt sei, erhielten es aber dennoch, natürlich gegen die Auszahlung einer angemessenen Summe, deren Höhe ich sogar kenne.“
„Ist das nicht ein Märchen oder Phantasiestück?“ warf der Pater, dem der Schweiß auf die Stirn zu treten begann, ein.
„O nein. Die Kaiserin erhielt das Gift. Nach und nach stellten sich die Vorwirkungen, welche den völligen Wahnsinn vorbereiten, ein. Die hohe Dame war gezwungen, einen anderen Kaiser, von dem ihre Krone abhängig war, zu besuchen, um die Erfüllung eines Wunsches von ihm zu erlangen, was allerdings vergeblich war. Kurze Zeit darauf trat der Wahnsinn bei ihr ein.“
„Vielleicht hat sie sich über die Vergeblichkeit dieser Reise und die Nichterfüllung ihres Wunsches so sehr aufgeregt und gekränkt, daß dies der Grund ihrer Krankheit geworden ist.“
„So hieß es allerdings, und so heißt es noch überall; aber Eingeweihte wissen es besser. Wißt Ihr, wer diese Eingeweihten sind?“
„Nein.“
„Einige Obermeister unseres Geheimbundes; auch ich gehöre zu ihnen. Und wißt Ihr, welche Kaiserin ich meine?“
„Ich – ich ahne es“, stieß der Pater hervor.
„So brauche ich es nicht zu sagen. Aber ahnt Ihr denn vielleicht auch, wer der Giftmischer ist?“
„Nein.“
„Der frühere Pater eines Klosters?“
„Ich weiß es nicht.“
„Das Gift befand sich in einem Fläschchen von schwarzem Glas.“
Der Pater ächzte vor Angst.
„Am Montag wurde es bestellt, und am Sonnabend brachte er es dem Señor Ri –“
„Um Gottes willen!“ rief der Pater, die Hände emporstreckend.
„Was habt Ihr denn?“
„Ich kann dergleichen Erzählungen nicht erhören!“
„Ihr als Arzt? Ihr müßtet doch eigentlich starke Nerven haben!“
„Es wird mir aber dennoch übel davon.“
„Das glaube ich!“ lachte der andere. „Wie übel aber müßte es da erst dem wirklichen Täter werden, wenn er davon reden hörte! Glaubt Ihr wohl, daß er gevierteilt würde, wenn die Sache zur Anzeige käme?“
„Der Beweis wäre die Hauptsache.“
„Der ist da; da habt nur keine Sorge. Aber während dieser Mordgeschichte sind wir von unserem eigentlichen Thema abgekommen. Wovon sprachen wir denn eigentlich?“
Der Pater wischte sich den Schweiß von der Stirn und sagte:
„Wir sprachen zuletzt wohl von dem Befehl, welchen Ihr mir zu überbringen hattet.“
„Allerdings, ja, davon sprachen wir. Und, wie steht es; wird dieser Auftrag Euch angenehm sein?“
„Hm! Angenehm gerade nicht.“
Er brachte diese Worte kaum zwischen den Zähnen hervor.
„Aber auch nicht unangenehm?“
„Nein“, stammelte er.
„Gut, so bin ich mit Euch zufrieden. Von dieser Toloadschigeschichte und der wahnsinnigen Kaiserin soll nicht wieder die Rede sein; denn ich hoffe nicht, daß Ihr mich zwingen werdet, noch einmal darauf zurückzukommen. Die Euch gewordene Aufgabe kennt Ihr im allgemeinen. Besondere Informationen und Instruktionen werden Euch in der Hauptstadt zuteil. Einige Bemerkungen will ich Euch im voraus machen. Glaubt Ihr, daß Juarez persönlich dem Kaiser übel will?“
„Ich glaube das Gegenteil.“
„Ich auch, ja, ich habe den Beweis dafür. Juarez wird den Kaiser scheuen, solange es nur immer möglich ist. Er ist sogar bereits in heimliche Unterhandlungen mit ihm getreten, um ihn zu retten.“
„Hat er
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