49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
ihm. Sie wollen die graue Stute stehlen, den Schimmel des Scheiks und auch ein Pferd oder ein Kamel, das Hiluja heißt, jedenfalls eine Stute.“
„Hiluja, die bewache ich ja hier! Das ist keine Stute, sondern ein Weib. Aber jetzt kommt mir die Sache auch verdächtig vor. Du hast ihn belauscht?“
„Ja. Es kam ein anderer dazu, der das Lager umschlichen hat. Aber wenn ich dir das alles erzählen soll, so ist der Diebstahl indessen gelungen. Wecken wir den Herrn!“
Jetzt hatte der Wächter gar nichts mehr dagegen. Einige Augenblicke später trat der Scheik mit seinen zwei Gästen aus dem Zelt. Steinbach fragte, was man wolle.
„Herr, deine Stute wird gestohlen“, antwortete der Bote.
„Du bist da? Meine Stute gestohlen? Von wem?“
„Von dem Tuareg.“
Steinbach war geistesgegenwärtig. Er begann sofort zu kombinieren und fragte rasch:
„Hast du ihn belauscht?“
„Ja. Ich war nach den Tamarisken geschlichen, um dort auszuschlafen. Ich erwachte jedoch bald, denn es kam ein Kerl, der sich in meine Nähe legte, ohne mich zu bemerken. Dann erschien der Tuareg. Sie wollen deine Stute, des Scheiks Schimmel und Hiluja stehlen.“
„Wann war das?“
„Vor einer halben Stunde.“
„Dummkopf!“
Steinbach sprang gleich darauf in das Zelt zurück, um seine Pistolen zu holen, und schoß zwei Läufe ab. Im Nu war das ganze Lager alarmiert, kamen die Männer aus den Zelten.
„Zu den Herden!“ rief Steinbach. „Es sind Diebe da!“
Alles rannte nach rechts oder links zu den Tieren.
„Ist Hiluja noch drin?“ fragte er dann den Wächter.
„Ja, Herr.“
„Bleibe bei ihr und verteidige sie nötigenfalls. Kommen Sie, Oberst.“
„Wohin?“ fragte Krüger Pascha.
„Zu dem Zelt des Tuareg.“
Dieser war nicht zu sehen. Das Frauenzelt war vollständig leer. Draußen aber, außerhalb des Lagers, erhob sich eben jetzt ein wahrer Heidenskandal. Laute Hilferufe erschallten, und Schüsse erklangen. Dorthin eilten auch die beiden. Im Vorübergehen blieb Steinbach bei dem Vorratszelt stehen und öffnete es.
„Hiluja?“ fragte er hinein.
„Nein, ich bin es, Herr, Haluja.“
„Haluja? Was bedeutet das? Heute sagte deine Dienerin, dein Name sei Hiluja.“
„Ja, das habe ich gesagt, Herr. Was ist geschehen? Warum ruft und schießt man?“
Die Sprecherin trat heraus. Sie trug den Schleier nicht. Steinbach beugte sich zu ihr nieder und erkannte trotz der Dunkelheit – die Alte, nicht die Herrin, sondern die Dienerin.
„Alle Teufel! Ein Betrug!“ rief er. „Tritt sofort wieder hinein! Da bleibst du, bis ich wiederkomme!“
Dann schob er sie in das Zelt und eilte fort, hinaus vor das Lager. Dort waren aus Palmenfasern gefertigte Fackeln, die diese Nomaden stets vorrätig haben, angebrannt worden. Die Flammen beleuchteten eine wirre, ziellose Bewegung.
„Er ist fort!“ rief der Scheik, als er Steinbach sah.
„Wer? Der Tuareg?“
„Nein, der Schimmel!“
„Teufel! Und meine Stute, die hier mit weidete?“
„Ist auch weg.“
„Hölle und Tod! Sie ist gar nicht mein Eigentum!“
„Wir müssen den Räubern nach. Auf die Pferde, ihr Männer! Schnell, ihnen nach!“
„Halt! Halt! Wartet noch!“ schrie aber Steinbach, so laut er nur konnte. „Alle hierher zu mir!“
Er hatte eingesehen, daß ein geordnetes, zielbewußtes Handeln jetzt die Hauptsache sei. Die Leute versammelten sich schnell um ihn. Er gebot Ruhe, und als die nötige Stille eingetreten war, sagte er: „Weg mit der Aufregung! Sie schadet uns nur! Hört auf mich! Und nur derjenige, der genaue Antwort weiß, mag sprechen, die andern aber schweigen. Ist der Schimmel des Scheiks fort?“
„Ja“, antwortete einer.
„Weißt du das genau?“
„Ich weiß es. Ich war der erste hier vor dem Lager. Eben als ich zwischen den Zelten hervorsprang jagten sie fort, an mir vorüber.“
„Wie viele?“
„Zwei Reiter und drei Pferde. Auf dem dritten, das sie in der Mitte hatten, war etwas festgebunden.“
„Jedenfalls Hiluja. Wohin ritten sie?“
„Gerade nach Osten hinaus.“
„So müssen wir ihnen augenblicklich nach, sonst entkommen sie uns!“ rief der Scheik. „Ich muß meinen Schimmel wieder haben. Die Diebe sollen den Raub mit dem Leben bezahlen!“
„Du wirst deinen Schimmel niemals wiedersehen, wenn du die Diebe jetzt verfolgst“, entgegnete Steinbach.
„Willst du sie entkommen lassen?“
„Nein.“
„Das geschieht aber doch, wenn wir nicht eilen.“
„Gerade wenn wir zu sehr eilen, entkommen sie uns.
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